Das Schicksal von Reem hat auch Kanzlerin Angela Merkel bewegt - auch wenn sie auf manchen kühl wirkte. Foto: Steffen Kugler/Bundesregierung/dpa

Spott war noch die freundlichste Reaktion: Angela Merkels Versuch, das Flüchtlingsmädchen Reem zu trösten, wird unter dem Hashtag #merkelstreichelt im Netz zerlegt. Das Urteil der 14-jährigen Schülerin fällt milder aus.

Berlin - Die Kanzlerin hat Glück: Das Urteil fällt milde aus. Die 14-jährige Reem sagt über Angela Merkel (CDU): „Sie hat zugehört, und sie hat ihre Meinung dazu gesagt - und das finde ich auch in Ordnung.“ Andere sind weniger gnädig. Herzlos und kalt sei die Kanzlerin, wettern Internetnutzer bei Twitter, seitdem Merkel das Flüchtlingsmädchen am Mittwoch mit sachlichen Ausführungen zur Asylpolitik zum Weinen brachte und danach beim Trösten ziemlich unbeholfen wirkte. Unter dem Hashtag #merkelstreichelt muss sich die Regierungschefin seither einigen Spott gefallen lassen. Und das Mädchen? Was wird aus ihm?

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), hat sich in die Debatte eingeschaltet und übernimmt den Part des Hoffnungsspenders. Während Merkel sich an die großen Linien der Flüchtlingspolitik hielt, macht Özoguz dem Mädchen, das mit seiner palästinensischen Familie aus dem Libanon flüchtete, Hoffnung, dass sie in Deutschland bleiben darf. Sie kenne zwar nicht die genauen persönlichen Umstände der Schülerin, sagt Özoguz, „aber sie spricht perfekt Deutsch und lebt offenbar schon länger hier“. Und genau für diese Lebenslagen habe die Regierung gerade das Gesetz geändert.

Reems Familie lebt in Ungewissheit

Reem lebt seit vier Jahren in Deutschland, geht in Rostock zur Schule. Sie hat Wünsche, Pläne, würde später gerne studieren - wenn da nur nicht die ständige Ungewissheit wäre. Sie stand mit ihrer Familie schon kurz vor der Abschiebung. Der Vater sei Schweißer, dürfe in Deutschland aber nicht arbeiten. All das erzählte Reem der Kanzlerin als die an ihrer Schule zu einer Veranstaltung zu Besuch war. Merkel erklärte dem Mädchen, dass Deutschland nicht alle Flüchtlinge aufnehmen könne, dass es erst mal darum gehe, Asyl-Entscheidungen zu beschleunigen - und dass Politik manchmal auch hart sei. Da fing Reem an zu weinen. Es folgte Merkels etwas ungelenker Versuch, die 14-Jährige zu trösten - und zu streicheln.

Während nun Massen an Internetnutzern Merkel als hartherzig beschimpfen, urteilt die Gestreichelte nüchtern über die Worte der Kanzlerin. „Ich werde mich jetzt erst mal damit abfinden und werde hoffen, dass es was bringt“, sagt Reem am Freitag im ARD-„Morgenmagazin“. Die Aussichten stehen nicht schlecht.

Geduldete sollen bessergestellt werden

In Deutschland geht es vielen Ausländern so wie Reem und ihrer Familie. Etwa 125.000 Menschen sind hier nur geduldet. Das sind Menschen, deren Asylantrag keinen Erfolg hatte, die aus verschiedenen Gründen aber nicht abgeschoben werden - etwa weil sie krank sind oder keine Papiere haben. Sie müssen sich alle paar Monate von einer Duldung zur nächsten hangeln, leben in ständiger Ungewissheit und Angst, dass sie bald wieder das Land verlassen müssen. Mehrere Tausend davon sind schon seit mehr als acht Jahren hier.

Mehrere Zehntausend sollen künftig von einem ausgeweiteten Bleiberecht profitieren. Wer seit acht Jahren in Deutschland lebt, sich gut integriert hat, ausreichend Deutsch spricht und überwiegend selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen kann, soll künftig einen festen Aufenthaltstitel bekommen. Bei Menschen mit minderjährigen Kindern sollen sechs Jahre Aufenthalt in Deutschland reichen. Und für Jugendliche selbst sollen vier Jahre Schulbesuch genügen.

Dieses Kriterium erfüllt Reem. Ihre Eltern könnten mit ihr eine Aufenthaltserlaubnis bekommen - auch wenn sie selbst den Kriterien nicht genügen würden. Familien sollen nicht auseinandergerissen werden. Möglicherweise bekämen die Eltern aber auch wieder nur eine Duldung, bis ihre Tochter 18 Jahre alt ist.

Das bereits beschlossene Gesetz mit den Änderungen liegt noch beim Bundespräsidenten und wartet auf dessen Unterschrift. Es soll aber bald in Kraft treten. Mit den Änderungen sind allerdings auch einige Härten verbunden. Ausreisegewahrsam, Wiedereinreisesperren - auch solche Dinge stecken in dem Gesetz. Wer keine Aussicht auf einen Aufenthaltsstatus hat, soll in Zukunft schneller abgeschoben werden. Merkel hat diese Denkweise der Regierung bei ihrem Auftritt gestreift und sich damit viel Kritik eingehandelt.

Über die Zukunft von Reem und ihren Eltern werden die Behörden entscheiden. Von der Stadt Rostock heißt es, es sei keine Abschiebung geplant. Beabsichtigt sei, der Familie aus humanitären Gründen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, sobald alle nötigen Unterlagen da seien. Das habe man der Familie Ende des Jahres auch so mitgeteilt. Vorerst steckt die Familie noch im Strudel deutscher Paragrafen.