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Angela Merkel ist eine gewiefte Machtpolitikerin. Geteilter Meinung sind Experten, wenn es um die Umweltpolitik geht. Ist sie Pragmatikerin oder Überzeugungstäterin?

Berlin - Angela Merkel ist eine gewiefte Macht-politikerin, keine Frage. Ihr innerparteilicher Aufstieg vorbei an den Herren Helmut Kohl, Wolfgang Schäuble und Edmund Stoiber ist legendär. Geteilter Meinung sind Experten, wenn es um die Umweltpolitik geht. Ist sie Pragmatikerin oder Überzeugungstäterin?

Mit auffälliger Konstanz taucht im Laufe ihrer Polit-Karriere immer wieder die Frage auf: Wie grün ist Angela Merkel eigentlich wirklich? Das fragte die Opposition, als sie 1994 Nachfolgerin des überparteilich geschätzten Umweltministers im letzten Kabinett Kohl, Klaus Töpfer (CDU), wurde. Merkel überraschte viele, als sie bereits ein Jahr später als Vorsitzende einer damals in Berlin tagenden UN-Klimakonferenz (!) einen spektakulären Erfolg erzielte: Im sogenannten Berliner Mandat verpflichtete sich die Staatengemeinschaft erstmals, den Ausstoß von Treibhausgasen zu vermindern. Für die Klimaschützer muss das so was wie ein Aha-Erlebnis gewesen sein.

Die Frage, wie grün Angela Merkel eigentlich sei, taucht dann im Jahr 2007 wieder auf. Merkel war inzwischen seit zwei Jahren Kanzlerin der Großen Koalition, beim G-8-Gipfel in Heiligendamm, also im eigenen Land, trotzte sie US-Präsident George Bush das Bekenntnis zu einem globalen Klimaschutzabkommen ab. Immerhin: Der Erfolg brachte ihr für einige Monate den Beinamen "Klimakanzlerin" ein. Zweieinhalb Jahre sind seitdem vergangen, und vor der Konferenz von Kopenhagen gibt es erneut Fragen, ob es der Kanzlerin tatsächlich ernst sei mit dem Klimaschutz. Oder hat sie womöglich im Zuge der Finanzkrise den Eifer für den Klimaschutz hintangestellt? Zunächst einmal gilt: Als Spitzenpolitikerin muss sie Generalistin sein, muss aus machttaktischen Gründen unbedingt vermeiden, sich für ein Spezialthema zu verkämpfen.

Unabhängig davon gibt es wohl kaum einen Politiker auf dem internationalen Parkett, der so prädestiniert für das Thema Klimaschutz ist wie sie. Es beginnt mit der akademischen Ausbildung. Als Naturwissenschaftlerin, als promovierte Physikerin, die jahrelang im Bereich der Quantenchemie gearbeitet hat, hat sie den notwendigen fachlichen Hintergrund.

Zumal wenn man ihren persönlichen Arbeitsstil kennt, muss man davon ausgehen, dass sie sehr früh gedanklich durchdrungen hat, welche Herausforderungen durch den Klimawandel auf die Menschheit zukommen. Auch als Chefin, auch als Kanzlerin kann sie zuhören. Sie lädt Experten zu sich, fragt sich hinein in ein Thema, hakt nach, diskutiert. Das haben engste Mitarbeiter erst jüngst wieder staunend berichtet, als sie in Windeseile im Zuge der Weltfinanzkrise schwierigste Finanzkonstrukte verstehen musste und wollte.

Engagement im Klimaschutz

Zudem liegen ihr internationale Konferenzen. Zu Hochform läuft sie auf, wenn es spät wird, wenn das endgültige Scheitern droht, irgendwann in den frühen Morgenstunden. Dann moderiert sie, vermittelt, schlichtet und kommt nicht selten mit einem Ergebnis heraus. Wohlgemerkt: Merkel war es, die die Berliner UN-Klimakonferenz überraschend zu einem Erfolg führte. Das war immerhin zwölf Jahre, bevor der US-Politiker und früherer Vizepräsident Al Gore im Jahr 2007 mit seinem Klimawandel-Film das Thema in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit platzieren sollte.

Und wie steht es mit der Klimakanzlerin in den Niederungen der Realpolitik? Ja, sie hat in Brüssel dafür gesorgt, dass für die heimischen Hersteller von Oberklasse-Fahrzeugen noch einmal ein Auge zugedrückt wurde. Ja, sie hat dafür gesorgt, dass die Industrie bei der nächsten Handelsperiode mit Verschmutzungszertifikaten noch nicht mitsteigern muss, sondern ihr die Verschmutzungsrechte gratis zugeteilt werden. Aber, es gibt auch Erfolge. Ab 2012 muss etwa die Strombranche die Verschmutzungsrechte komplett ersteigern.

Ein hochrangiger Umweltlobbyist sagte gegenüber dieser Zeitung: "Vor drei Jahren hätte ich daran nicht im Traum geglaubt." Für eine gewisse Konsequenz Merkels beim Thema spricht auch: 2001 erklärte der damalige parteilose Wirtschaftsminister im Kabinett Schröder, Werner Müller (parteilos), noch, dass eine Reduzierung der Treibhausgase bis 2020 um 40 Prozent die deutsche Wirtschaft ruinieren würde. 2005 stand im Vertrag der Großen Koalition dann bereits, dass Deutschland 40 Prozent schaffen wolle, wenn die EU 30 Prozent erzielt. Im aktuellen Koalitionsvertrag steht nun unkonditioniert, dass Deutschland die 40 Prozent erreicht. Freilich muss Schwarz-Gelb noch die notwendigen Maßnahmen dafür beschließen. Derzeit dominieren noch die Sonntagsreden.

Fahrt zum Klimagipfel Kopenhagen offen

Und was ist nun mit der Kanzlerin und Kopenhagen? Klar ist, dass sie nur fährt, wenn ihr Chefunterhändler, Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), und sein Stab vorher signalisieren, dass Kopenhagen ein Erfolg wird. Ein Berliner Umwelt-Lobbyist: "Ein Spitzenpolitiker kann da nur hinfahren, wenn feststeht, dass er als Sieger wiederkommt." Ob das auch für US-Präsident Barack Obama gilt? Er sagte zu, dem Gipfel einen Besuch abzustatten, allerdings bereits zwei Tage nach Beginn der Konferenz. In der vermutlich entscheidenden Phase gegen Ende des Treffens wird er dagegen nach bisherigem Stand nicht dabei sein.

Derzeit heißt es, dass die Signale aus den Weißen Haus darauf hindeuteten, dass der Kongress dort zu 80 Prozent bis zum Sommer des kommenden Jahres das seit längerem auf Eis liegende Klimaschutzgesetz verabschiedet. Dies gilt wiederum als Voraussetzung dafür, dass aus dem Treffen in Kopenhagen letztlich ein Erfolg werden kann.

Als Umwelt-Staatssekretär unter Rot-Grün hat Rainer Baake sieben Jahre lang für Deutschland auf internationalem Parkett verhandelt, wenn es um den Klimaschutz ging. Heute ist er Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und hat viel an der Umweltpolitik der neuen Koalition auszusetzen. Baake aber bescheinigt Merkel, im Vorfeld von Kopenhagen nichts falsch gemacht zu haben: "Es ist absolut richtig, dass die Regierung kein Erwartungsmanagement betreibt und die Erwartungen öffentlich herunterspielt, sondern weiterhin auf einen Erfolg setzt."