Die Erweiterung der Mercedes-Welt im Stuttgarter Neckarpark liegt auf Eis. Foto: Stadtmessungsamt 2015/Bearbeitung Lange

Ende Januar 2014 hat die Daimler AG das New Yorker Architekturbüro Rex für die Erweiterung der Mercedes-Welt bei Museum ausgewählt. Bilder von dem 90 Millionen Euro teuren Campus-Neubau wurden aber nie veröffentlicht. Nun liegt er auf unbestimmte Zeit auf Eis.

Stuttgart - Zehn Jahre nach ihrer Fertigstellung im Mai 2006 sollte die als architektonisches und museales Glanzlicht gefeierte Mercedes-Welt im Neckarpark eine Frischzellenkur erhalten. Daimler plante Neubauten in einer Größe von 33 500 Quadratmeter. 90 Millionen Euro sollte der neue Standort des bisher in Fellbach beheimateten Classic-Centers, die Ausweitung der Museums-Schaustücke um 40 auf 190 und die landschaftliche Gestaltung kosten. Nun ist das Thema nicht mehr vordringlich.

„Unser Fokus liegt auf dem Neubau an der Heilbronner Straße, die Aktivitäten im Neckarpark sind zurückgestellt“, teilt eine Firmensprecherin auf Anfrage mit. Warum? Weil „der Wachstumsoffensive und der steigenden Anzahl an Modellen Rechnung getragen werden muss“. Mehr Umsatz steht also vor schicker Unternehmensdarstellung. Diese Anforderung scheint aber in der bisherigen Konzern-Niederlassung, die versteckt hinter dem Museum liegt, nicht erfüllbar.

Auch die neue Markenwelt war 2006 in Betrieb gegangen. Mit ihrem gekappten, vollverglasten Kegel an einer Ecke sollte das Autohaus stilbildend werden. Inzwischen gilt die aus der Zeit von Daimler-Chef Wolfgang Schrempp stammende Verkaufsstelle nicht mehr als zweites Kernstück der Mercedes-Welt, sondern als glatte Fehlentscheidung. „Da kommt keiner hin“, bekannte ein Vertreter des Premiumanbieters auf einem Messetermin in entwaffnender Offenheit.

Die Lösung liegt in einem Neubau an der Heilbronner Straße

Keiner ist natürlich übertrieben und doppeldeutig, denn aus Sicht von Daimler ist die zuführende Mercedesstraße oft genug durch Veranstaltungen blockiert. Mit Verkaufszahlen lässt sich die Standort-Ungunst der 9100 Quadratmeter großen, auf drei Stockwerke verteilten Schauräume nicht dokumentieren, denn die Absätze seiner Stammsitz-Niederlassung hält Mercedes unter Verschluss, wogegen der Rivale BMW jährlich Zahlen nennt.

Für die Malaise gibt es eine Lösung. Sie liegt am anderen Ende der Stadt. Daimler hat bereits 2012 Gelände und Gebäude des Werkzeughändlers Hahn & Kolb an der Heilbronner Straße erworben. 12 000 Quadratmeter, auf denen noch das alte Hahn & Kolb-Hochhaus steht. Über dessen Abriss oder Weiternutzung als Bürobau ist nicht entschieden. Daneben liegt, nur durch die schmale Krupp-Straße getrennt, das Mercedes-Forum. In dem Glaspalast werden junge Gebrauchte an den Mann gebracht.

„Es werden verschiedene Möglichkeiten geprüft, wie man das Hochhaus und das Mercedes-Forum in die Neubebauung einbeziehen kann“, sagt die Firmensprecherin. In der exponierten Lage will Daimler kein Stückwerk liefern. Auf der B 27 entlang des Grundstücks fahren täglich 70 000 Autos, und Wettbewerber wie Audi haben sich dort mit einem 45 Millionen Euro teuren Neubau in Szene gesetzt. Da Daimler auch bei der neuen Niederlassung das Beste oder eben nichts liefern will, werden 45 Millionen nicht reichen.

Der Abgesang auf die Niederlassung im Neckarpark ist in der Stadtverwaltung kein Geheimnis. Im Rathaus fragt man sich inzwischen allerdings, warum 2008 der Verkauf von 60 000 Quadratmeter Sportflächen vor Museum und Niederlassung an Daimler durch den Gemeinderat gepeitscht werden musste, wenn nun Stillstand herrscht. Der Konzern zahlte für die Grundstücke 15,9 Millionen Euro und wird für die Erschließung des erweiterten Campus über eine Straße zwischen dem Stadion Festwiese und der Rückseite des zentralen Stadion-Parkhauses 2,35 Millionen Euro überweisen.

Sportvereine freuen sich über weitere Nutzungsmöglichkeit

Zum Ärger der Grünen im Gemeinderat musste mit einem Großteil des Geldes, 9,4 Millionen Euro, den von Daimler verdrängten Sportvereinen hinter dem Stadion eine neue Heimat geschaffen werden. Dort entstanden zwei Fußballplätze, Parkplätze und ein Clubhaus.

Das war für den Sport aber kein voller Verlustausgleich. Günther Kuhnigk, Leiter des städtischen Amts für Sport und Bewegung, ist daher froh, die verkauften Sportflächen bisher von Daimler „in einer fairen Übereinkunft“ für den Sport zurückmieten zu können. Zwei kaputte Kunstrasenplätze vor der Niederlassung nimmt das Amt nun aus der Anmietung, weil ihr Zustand erbärmlich ist. „Wir haben kein Problem, wenn sich die Entscheidung für die Mercedes-Welt verzögert“, sagt Kuhnigk. Manche großen Pläne haben sich bei Daimler in Luft aufgelöst. Das ehemalige Vorstands-Hochhaus im Werk Untertürkheim steht seit sieben Jahren leer. Für den Ersatzbau hatte es einen Architektenwettbewerb gegeben. Zwei siegreiche Büros erhielten nach Jahren eine knappe, aber endgültige Absage.