Auf Entdeckungsreise im Mercedes-Museum: Die Nachwuchskicker von Guangzhou Evergrande Foto: Cmarik

Der frühere Hoffenheimer Coach Marco Pezzaiouli hat sein Glück in China gefunden – und will mit den Nachwuchskickern von Guangzhou Evergrande beim Junior-Cup in Sindelfingen noch viel dazulernen. Hier gibt es den Livestream zum Cup.

Stuttgart - Mit großen Augen und dem Smartphone in der Hand ziehen die 26 Jugendlichen in den dunkelblauen Trainingsanzügen am Sonntag durch das Mercedes-Benz Museum. Vor allem die Oldtimer haben es den Nachwuchsfußballern des chinesischen Clubs Guangzhou Evergrande angetan. Ähnlich begeistert saugen die Talente auch die Trainingseinheiten unter Marco Pezzaiouli auf, der seit 2014 für die Nachwuchsarbeit beim Club aus der südchinesischen Provinz Guangdong zuständig ist. Davor war er lange Jugendtrainer beim Deutschen Fußballbund (DFB) und hatte auch ein kurzes Gastspiel als Cheftrainer beim Bundesligisten 1899 Hoffenheim.

Auf seinen ehemaligen Verein trifft Pezzaiouli nun wieder, bei der 26. Auflage des Mercedes Junior-Cups (5. und 6. Januar) im Glaspalast in Sindelfingen. „Für uns ist das völliges Neuland, wir spielen sonst nie in der Halle“, sagt Pezzaiouli. Am Vormittag stand deshalb schon eine Trainingseinheit auf dem Programm. Immer an seiner Seite ist Dolmetscher Rui Cao. Und seit Pezzaiouli seine Kicker mit einer englischen Fußball-App ausgestattet hat, klappt die Verständigung auf dem Rasen immer besser.

Die Jungs sollen sich herantasten, ein Gefühl für den Budenzauber entwickeln. „Für sie ist das eine Stresssituation, und sie lernen dabei, schnell Entscheidungen treffen zu müssen“, sagt der Coach. Die Gruppengegner heißen VfL Wolfsburg , Rapid, Wien und VfB Stuttgart. „Wir werden ebenbürtiger sein als noch bei unserer Sommertournee. Da waren wir oft nur Kanonenfutter“, sagt Marco Pezzaiouli.

Trotz 1,3 Milliarden Einwohnern nur auf Platz 84 der Fifa-Rangliste

Ihm geht es vor allem um Entwicklung. In der gigantischen Nachwuchsakademie von Guangzhou gibt es 50 Fußballplätze, ein olympisches Schwimmbecken, ein Stadion und 500 Vollzeitmitarbeiter. Und damit keiner der 3000 Schüler das große Ziel aus den Augen verliert, steht vor dem Eingang eine fünf Meter große Nachbildung des WM-Pokals. Die Kinder sollen aber nicht nur am Ball ausgebildet, sondern auch ihren Schulabschluss machen können. Real Madrid ist Pate des Projekts. Doch abgesehen von den Fußballschulen im Lande gibt es kaum Amateur- und Freizeitfußball in China. Es gibt auch keinen offiziellen Spielbetrieb im Jugendfußball.

„Wir fliegen bis zu vier Stunden zu einem Freundschaftsspiel, und wenn ich einen 15-Jährigen sichten will, bin ich acht Stunden unterwegs“, sagt Pezzaiouli. Der 48-Jährige sieht sich als Entwicklungshelfer in einem Land, in dem Kinder am liebsten Tischtennis oder Basketball spielen. Bolzplätze sucht man vergeblich. Und so ist es auch nicht verwunderlich, warum die Volksrepublik mit 1,3 Milliarden Menschen auf der Fifa-Weltrangliste nur Platz 84 belegt.

Doch Guangzhou Evergrande sorgte schon für positive Schlagzeilen, ist mehrfacher chinesischer Meister und wird aktuell von Felipe Scolari betreut. Mit ihm tauscht sich Pezzaiouli regelmäßig aus. Schließlich gilt im Club eine einheitliche Philosophie. Die Talente sollen nicht nur Pressing und Gegenpressing lernen, sondern ihre Persönlichkeit entwickeln und auch die Allgemeinbildung soll gefördert werden. Dabei helfen natürlich Reisen ins Ausland. Sindelfingen ist der Auftakt zu einer Deutschland-Tournee, bei der sich die jungen Chinesen mit den Top-Teams messen wollen. Auch Staatschef Xi Jinping ist ein riesiger Fußballfan. Der Wirtschaftsriese soll nicht länger ein Fußballzwerg bleiben. Doch Pezzaiouli ist Realist: „Es wird wohl rund 30 Jahre dauern, bis wir im Nachwuchsbereich den Stand von Japan oder Südkorea erreicht haben.“