Motorsportchef Toto Wolff: Unter seiner Leitung gewinnt Mercedes den ersten Konstrukteurs-Titel in der Formel 1 Foto: Getty

Noch ist der Jubel über den Team-Titel bei Mercedes nicht verhallt, da mahnt Toto Wolff schon, sich nicht auf den Lorbeeren auszuruhen. „Die Konkurrenten werden kämpfen, uns einzuholen“, sagt der Österreicher im Interview.

Stuttgart - Glückwunsch zum WM-Titel in der Formel 1, Herr Wolff. Wie war der Empfang in Brackley?
Es regnet hier zwar, aber es herrscht eine sehr gute Stimmung. Alle Mitarbeiter laufen in unseren Meistershirts herum, wir hatten gerade in der Fabrik ein Meeting mit allen Team-Mitgliedern, bei der Niki Lauda und ich zu unseren Mitarbeitern geredet haben und bei der wir die WM-Trophäe für die Konstrukteure überbracht haben.
Es handelt sich um einen historischen Erfolg – erster Konstrukteurstitel für ein deutsches Team, erster Konstrukteurs-Titel für Mercedes.
Ja, wenn man bedenkt, welche lange Erfolgsgeschichte Mercedes im Motorsport geschrieben hat, mit Persönlichkeiten wie Rudolf Uhlenhaut (ehemals Chefingenieur, d. Red.) oder Alfred Neubauer (legendärer Rennsportleiter, d. Red.), dann ist es schon eine Ehre, sich da einreihen zu dürfen und ein kleiner Teil dieser Geschichte zu sein. Das ist unheimlich zufriedenstellend.
Wie bedeutend ist dieser Erfolg für Mercedes als Autobauer einer Premiummarke?
Absolut bedeutend. Aber Mercedes heißt nicht nur Premiumprodukt, sondern auch Racing – das liegt dem Unternehmen in der DNA. Es ist etwas Großes, die Meisterschaft zu gewinnen und auf der höchsten Stufe zu stehen in einer Rennserie, in der sich die besten Fahrer, die besten Autos und die fortschrittlichsten Fahrzeug messen.
Die Marketingleute werden ebenfalls jubeln – kaum führt die Formel 1 die Hybridtechnologie ein, schon ist Mercedes die Nummer eins.
Es war ein guter Zeitpunkt, aber nicht nur aus diesem Grund. Und es ist nicht nur ein Marketingslogan, das möchte ich betonen, dass die Formel-1-Abteilung in Brackley auch das Know-how in Stuttgart nutzen und Erfahrungen von dort einbringen konnte.
Zum Beispiel?
Es hat uns entscheidende Vorteile gebracht, als es um die Kühlung der Hybridantriebs ging. Dabei haben wir ganz massiv aus dem Erfahrungsschatz aus Stuttgart profitiert.
Wie groß ist die Erleichterung, dass der Autohersteller den Getränkeproduzenten Red Bull auf der Rennstrecke hinter sich gelassen hat?
Den besten Job getan, die eigenen Ansprüche erfüllt zu haben und den Vorgaben der Vorstände entsprochen zu haben, das wiegt bei uns weit mehr als ausschließlich die Tatsache, Red Bull geschlagen zu haben.
Auch wenn es zwischen den beiden Teams im Laufe dieser Saison immer wieder kleine bis mittelgroße Sticheleien gegeben hat?
Sie kennen das Geschäft doch auch. Diese Sticheleien gehörten seit jeher zur Formel 1 – und oft werden Themen hier viel heißer gekocht als sie am Ende gegessen werden.
Wie groß ist der Anteil der aktuellen Mannschaft am Titel, wie groß der der Vorgänger? Ich denke an Ex-Motorsportchef Norbert Haug und Rekordchampion Michael Schumacher.
Wir haben das erwähnt bei dem Townhall-Meeting hier im Werk. Nach meiner Ankunft habe ich mich auch bei Norbert und Ross (Brawn, ehemaliger Teamchef, d. Red.) bedankt. So ein Erfolg ist nie die Leistung eines Einzelnen, es sind viele Entscheidungen von vielen Menschen, die letztlich zu diesem Ziel geführt haben. Auch die ehemaligen Mitarbeiter haben das Team in diese Richtung gelenkt, deshalb ist es ihr Titel wie unserer.
Als Sie von Mercedes Anfang 2013 geholt wurden, hat man Ihnen sicherlich diesen Titel ins Pflichtenheft geschrieben, oder?
Ja, das war der Anspruch und die Erwartungshaltung. Eine der ersten Fragen damals an mich war: Was müssen wir tun, damit das gelingt? Die Entscheidung von Mercedes, in die Formel 1 zu gehen, hatte selbstverständlich den Hintergrund, diese Meisterschaft zu gewinnen. Das war ein schwieriger Prozess, manchmal ziemlich schmerzhaft. Jetzt haben wir das Ziel nach viereinhalb Jahren erreicht, und selbst, wenn die Augen auf die letzten drei Rennen gerichtet sind, auf den Kampf um die Fahrer-Weltmeisterschaft, geht der Blick bereits weiter nach vorn: Wir wollen dieses Level halten.
Hat 2014 eine neue Ära der Silberpfeile begonnen? In dieser Saison war der F1 W05 Hybrid unter normalen Bedingungen unschlagbar.
Man darf sich nicht darauf verlassen, dass solche Zyklen, in denen ein Team über einige Jahre dominant ist, sich regelmäßig wiederholen. Wir müssen uns darauf konzentrieren, unsere Vorteile weiter zu nutzen. Die Konkurrenten werden kämpfen, uns wieder einzuholen, aber damit haben wir natürlich gerechnet und sind gerüstet. Noch einmal: Nichts kommt von alleine – wir genießen diesen Tag und kosten den Erfolg aus. Und Morgen arbeiten wir wieder hart.
Am Auto für die nächste Saison?
Die Gruppen sind schon umgestellt. Seit zwei Monaten arbeitet keiner mehr am aktuellen Auto, sondern alle sind bereits mit dem neuen Modell beschäftigt.
Dem Konstrukteurs-Titel dürfte der Fahrer-Titel folgen – Daniel Ricciardo kann doch nur noch rechnerisch Lewis Hamilton oder Nico Rosberg abfangen.
Verschreien Sie es nicht. Es sind schon alle verrückten Ergebnisse im Sport vorgekommen, Tore in der Nachspielzeit im Fußball und so weiter. Man darf sich nicht leiten lassen, den vermeintlichen Titel schon vorweg zu nehmen. Vor allem auch wegen der doppelten Punkte beim Finale in Abu Dhabi, die ja einen gewissen Lotterie-Effekt besitzen.
Für die Fans wird es bestimmt eine Feier in Stuttgart geben. Welchen Termin müssen sie sich für Stars & Cars vormerken?
Wir haben uns einige Jahre darauf konzentriert, zuerst den Erfolg auf der Strecke zu erreichen. Jetzt sind wir zum Zeitpunkt gekommen, wo wir Erfolge haben, die gefeiert gehören. Unseren Fans in Stuttgart können wir diesbezüglich hoffentlich bald gute Nachrichten überbringen.