Jedes Jahr sterben auf Baden-Württembergs Straßen so viele Menschen, wie in einem kleinen Dorf leben. Die Landesregierung will das nicht länger hinnehmen. Foto: dpa

Jedes Jahr sterben auf Baden-Württembergs Straßen so viele Menschen, wie in einem kleinen Dorf leben. Die Landesregierung will das nicht länger hinnehmen.

Stuttgart - Die grün-rote Landesregierung will mit einem umfassenden Sicherheitskonzept die Zahl der Verkehrstoten auf Baden-Württembergs Straßen drastisch senken. Aufeinander abgestimmte bauliche Verbesserungen, Kontrollen und mehr Tempolimits sollen dazu beitragen, dass 2020 die Zahl der Verkehrstoten 40 Prozent unter dem Wert von 2010 liegt. Damals starben auf den Straßen im Südwesten 469 Menschen. „Wir haben im Straßenverkehr mehr Todesfälle zu beklagen als durch Kriminalität“, sagte Innenminister Reinhold Gall (SPD) am Dienstag in Stuttgart bei der Präsentation der Vorschläge.

„Jeder tödliche Unfall reißt einen Menschen plötzlich aus dem Leben. Er hinterlässt eine unersetzliche Lücke in der Familie, im Freundeskreis und häufig auch im Berufsleben“, erklärte Gall. Der volkswirtschaftliche Schaden durch Unfälle im Südwesten betrage jährlich fast drei Milliarden Euro. Nach seinen Worten ereigneten sich auf den mehr als 27.000 Kilometern Straßen im Land 2012 rund 290.000 Unfälle, wobei 471 Menschen starben sowie 9141 schwer und 37.500 leicht verletzt wurden.

Senioren und Kinder im Fokus

Teil des mit Kommunen und Verkehrsverbänden abgestimmten Konzeptes ist die Ansprache besonders gefährdeter Zielgruppen wie Senioren. Zur Mobilität im Alter wird noch im Juli eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet. Der Innenminister betonte, dass die über 65-Jährigen 20 Prozent der Bevölkerung stellten, am Unfallgeschehen aber nur zu acht Prozent beteiligt seien. Allerdings ist jeder vierte Tote im Straßenverkehr ein Senior, darunter etliche Fußgänger.

Auch Kinder stehen im Fokus: Bei der Aktion „Sicherer Schulweg“ ist in diesem Schuljahr erstmals von Grundschulen die Erstellung von Geh- und Radschulwegplänen eingefordert worden. Für die Sicherheit von Kindern im Straßenverkehr sind neben Innen- und Verkehrsministerium auch die Ressorts für Kultus und den ländlichen Raum verantwortlich. Auch für jede andere der rund 90 Einzelmaßnahmen sind die Zuständigkeiten genau festgelegt.

Unfallbrennpunkte sollen auf Basis einer neuen Plattform entschärft werden, die alle verfügbaren Daten zu Unfällen zusammenführt. „Damit können wir die Straßen im Land bis auf die Ebene von 100-Meter-Abschnitten auf Unfallschwerpunkte hin analysieren“, erläuterte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Auf diese Weise können besonders kritische Strecken identifiziert und Mittel gezielt eingesetzt werden. Überdies können Karten erstellt werden, die risikobehaftete Abschnitte etwa für Motorradfahrer aufzeigen. Im Land stehen jährlich 100 Millionen Euro für den Erhalt von Landesstraßen bereit, etwa um Mittelleitplanken aus Beton zu errichten oder Markierungen gegen Geisterfahrer aufzutragen.

Hermann: 30 innerorts Regelgeschwindigkeit

Hermann plädierte auch für eine flexiblere Straßenverkehrsordnung, damit eine Umdenken bei Tempolimits möglich sei. So will Hermann Tempo 30 innerorts als Regelgeschwindigkeit durchsetzen. Nur für gut ausgebaute Durchfahrtsstraßen sollen Höchstgeschwindigkeiten von 40 oder 50 Kilometer pro Stunde möglich sein. Auf Landstraßen außerorts, wo sich 60 Prozent der tödlichen Unfälle ereignen, ist aus Sicht des Landes Tempo 90 statt 100 wünschenswert. Das könne die Zahl der Verkehrstoten um 10 bis 20 Prozent verringern.

Gall kündigte an, dass für den „24-Stunden-Blitzmarathon“ am 10. und 11. Oktober Vorschläge der Bürger für „Aufregerstellen“, wo zu schnell gefahren wird, erwünscht seien. Dort werde dann mit den landesweit rund 100 mobilen Radargeräten gemessen. Bei den Bürgern dürfe nicht der Eindruck entstehen, man wolle sie „in die Falle“ laufen lassen. Gall betonte: „Verkehrssünder sind keine Opfer, sondern Täter.“