Ein 39-Jähriger soll seinen Vermieter getötet haben – offenbar ist er nicht schuldfähig Foto: dpa

Das Landgericht Stuttgart verhandelt seit Mittwoch gegen einen 39-Jährigen, der seinen Vermieter mit etlichen Messerstichen getötet haben soll. Der Beschuldigte ist offenbar psychisch krank.

Stuttgart/Böblingen - Der Mann, der am Mittwoch vor die 9. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart geführt wird, kann nur in Trippelschritten gehen. Der 39-Jährige trägt auf Anraten des psychiatrischen Gutachters Fußfesseln und Handschließen. „Das ist besser so. Er kann jederzeit eine Panikattacke bekommen“, sagt sein Verteidiger Hans-Christian Wolff. Der Mann steht vor Gericht, weil er in Böblingen seinen 74 Jahre alten Vermieter getötet hat – im Wahn und mit weit mehr als 30 Messerstichen.

Nach der Bluttat in einem idyllisch gelegenen Wohnhaus im Süden Böblingens hatte man über das Motiv gerätselt. Jetzt ist klar: Der 39-jährige Versicherungsvertreter und Vater zweier schulpflichtiger Kinder ist schwer psychisch krank. Vor Gericht werde er sich nicht äußern, so der Beschuldigte. Der Kammer liegt allerdings seine Aussage beim Haftrichter vor. Darin beschreibt der Mann, wie der 29. Januar dieses Jahres seiner Erinnerung nach abgelaufen ist.

Auf seinem Tablet-Computer sei immer sein Standort, also Böblingen, zu sehen gewesen. Doch am 29. Januar sei dort plötzlich Berlin und Düsseldorf gestanden. Dort, so bildete sich der Beschuldigte ein, seien Nazi-Großdemonstrationen im Gange, die Städte sollten plattgemacht werden. Und vor allem: Horden von Nazis seien zu ihm unterwegs, um seinen Kindern etwas anzutun.

Medikamente seit längerer Zeit nicht genommen

Er höre schon seit geraumer Zeit Geräusche aus der Wohnung über ihm. Dort wohnte der Vermieter. Geräusche wie Höllenfeuer habe er vernommen. „Ich habe meine Kinder schon auf dem Scheiterhaufen gesehen“, so der 39-Jährige. Und er sei sicher gewesen, dass sein Vermieter hinter der angeblichen Bedrohung seiner Kinder stecke.

Zu allem Übel hatte der Beschuldigte, der schon mehrmals in der Psychiatrie behandelt worden war, seine Medikamente seit längerer Zeit nicht genommen. Am Tatmorgen habe er in der Bibel gelesen – Jeremia 48: „Verflucht sei, wer das Werk des Herrn lässig treibt, und verflucht, wer sein Schwert vom Blutvergießen zurückhält!“

Er habe seinen Vermieter angerufen. „Ich wollte ihn fragen, warum er mich vernichten will.“ Doch der 74-Jährige habe nicht geantwortet. Gegen 9.30 Uhr muss der ihm der 74-Jährige im Hausflur begegnet sein. Der Beschuldigte bittet seinen Vermieter in die Wohnung, wo er ihn förmlich massakriert. Mit mehreren Messern sticht er dem Opfer in den Oberkörper und in den Rücken. Rund 30 Stiche listen die Rechtsmediziner auf. Die zahlreichen Stiche am Kopf können sie gar nicht zählen.

Dann ruft der Beschuldigte die Polizei an. Er sagt, er habe 50-mal zugestochen. Die Attacke war so heftig, dass sich der 39-Jährige selbst mehrfach verletzt hat. Er lässt sich widerstandslos festnehmen. Beim Haftrichter sagt er, die Vorstellung, dass Nazis aus Berlin und Düsseldorf zu ihm unterwegs seien, mache ihm auch jetzt noch Angst.

„Der Beschuldigte leidet seit vielen Jahren an einem bizarren Wahn und an existenzieller Angst“, so Oberstaatsanwalt Hans-Otto Rieleder. Der Mann sei nicht schuldfähig, doch er stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit da. Sein Platz sei in der Psychiatrie. Darüber muss allerdings die 9. Strafkammer entscheiden.