Der junge Arzt Kyril Halavach untersucht einen seiner Patienten. Seit einigen Jahren beschäftigen vor allem Kliniken auf dem Land vermehrt junge Ärzte aus dem Ausland, weil sich für Stellen dort keine deutschen Bewerber finden. Foto: dpa

Inzwischen ist jeder siebte Mediziner in den Kliniken in Baden-Württemberg nicht an einer deutschen Universität ausgebildet worden. Auch immer mehr Flüchtlinge tun auf den Stationen und in den Operationssälen im Land ihren Dienst. Doch die Ärztekammer findet, dass dies nicht die einzige Lösung sein kann.

Stuttgart - Für das Spital in Waldshut ist es ein ganz besonderer Coup gewesen: Als das Krankenhaus Anästhesisten suchte und gleichzeitig die Möglichkeit anbot, eine Zusatzqualifikation in Intensivmedizin zu erwerben, flatterten dem Chefarzt Günter Michaelis sogar vier Bewerbungen junger Ärzte auf den Tisch, die eigentlich schon in die Schweiz abgewandert waren. Dort wird mehr Geld verdient, weshalb vor allem die Kliniken entlang der Grenze schon seit Jahren unter einem gewissen Aderlass leiden. Doch das interessante Weiterbildungsangebot weckte offenbar Interesse.

Doch solche Erfolge sind eher selten. Weiterhin wanderten junge deutsche Mediziner in die Schweiz ab, räumt der Sprecher des baden-württembergischen Sozialministeriums, Sebastian Altemüller, ein. Zwar hat sich der Ärztemangel im Vergleich zu den vergangenen Jahren nach Beobachtungen der baden-württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) „geringfügig abgemildert“, dies sei aber nur möglich gewesen, indem die hiesigen Kliniken ihrerseits Ärzte importiert hätten.

In Südbaden sind es besonders viele

Deren Zahl nahm im vergangenen Jahr um 11,1 Prozent zu. In Südbaden betrug das Plus sogar 18,8 Prozent. Insgesamt stammten von den 24 522 Klinikärzten im Land inzwischen 3569 aus dem Ausland, heißt es in einer Statistik der Landesärztekammer. Das entspricht einer Quote von 14,6 Prozent. Damit ist jeder siebte Krankenhausarzt nicht an einer deutschen Universität ausgebildet worden.

Besonders auf dem osteuropäischen Markt konnten die Krankenhäuser des Landes in den vergangenen Jahren ihren Bedarf decken. Aus Rumänien kommen 560 Ärzte, aus Griechenland 292, aus Ungarn 230 und aus Österreich 208. Den stärksten Zuwachs verzeichnete zuletzt allerdings die Gruppe aus den aktuellen Flüchtlingsländern. So praktizieren inzwischen 114 Syrer an baden-württembergischen Kliniken, fast 50 kamen im vergangenen Jahr hinzu. Sie stellen damit die größte Gruppe von außerhalb Europas. Auch aus dem Irak und Jemen registrierte die Landesärztekammer starke Zuwächse.

Land muss Ausbildungen anerkennen

Entsprechend viel hat das Landesprüfungsamt zu tun, das die Gleichwertigkeit der Ausbildung feststellen und die Anträge auf Approbation bearbeiten muss. Der Ansturm sei enorm, berichtet der Ministeriumssprecher Altemüller. So seien im Jahr 2016 rund 1300 Anträge eingegangen. Vier Jahre zuvor seien es nur 300 gewesen. Trotz zusätzlicher Mitarbeiter seien daher die Bearbeitungszeiten ein Problem. Gegenwärtig sei es nur bei EU-konformen Ausbildungen möglich, die gesetzlich vorgegebenen Fristen einzuhalten, räumt das Ministerium auf eine aktuelle Anfrage aus der SPD-Fraktion hin ein.

Bei Flüchtlingen ist die Anerkennung besonders aufwendig, weil auf der Flucht vielfach die notwendigen Unterlagen und Zeugnisse verloren gegangen sind. Sie müssen über die Konsulate neu beschafft werden. In Ausnahmefällen sind auch neue Prüfungen nötig. Hinzu kommt der Nachweis entsprechender Sprachkenntnisse. Die ausländischen Ärzte müssen auch die medizinische Fachsprache beherrschen.

Montgomery fordert mehr Studienplätze

Der Chef der Bundesärztekammer in Berlin, Frank Ulrich Montgomery, hält es dennoch für problematisch, allein auf ausländische Mediziner zurückzugreifen. „Wir können und sollten nicht versuchen, unser Fachkräfteproblem im ärztlichen Dienst durch Zuwanderung aus dem Ausland zu lösen“. Zum einen sei der Aufwand riesig. Zum anderen fehlten die Kollegen in ihren Herkunftsländern.

Nötig seien zusätzliche Studienplätze. Montgomery beziffert den Bedarf bundesweit auf mindestens tausend. Auch Baden-Württemberg ließ bei der Schaffung von Studienplätzen nach der Ansicht der BWKG in den vergangenen Jahren Engagement vermissen. Die Zahl der Studienplätze im Land stieg zuletzt von 1515 auf 1533.