Mehr als 50 Porträtaufnahmen haben die Studenten am Freitag an der Fassade des IW8 Stuttgart entlang der Mauserstraße angebracht. Foto: Torsten Ströbele

Studierende haben sich mit dem Quartier im Gewerbegebiet und seinen Perspektiven beschäftigt.

Feuerbach - „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“, sagte einst Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt. Doch manchmal kann es sicherlich nicht schaden, Ideen nicht gleich zu verwerfen, nur weil sie im ersten Augenblick unkonventionell beziehungsweise nicht umsetzbar erscheinen. Völlig unvorbelastet haben sich nun im April rund 30 Studierende des deutsch-arabischen Masterstudiengangs „Integrated Urbanism and Sustainable Design“ (Integrierter Städtebau und nachhaltige Planung) der Uni Stuttgart und der Ain Shams University in Kairo an ihre Semesterarbeit gemacht. Vier Monate lang haben sie sich intensiv mit der Mauserstraße, dem Kreativzentrum IW8 und dem Gewerbegebiet Feuerbach-Ost beschäftigt. Das Ziel war es, aufzuzeigen, wie sich das multikulturelle Quartier rund um die Mauserstraße entwickeln kann. „Wir werden in der Kürze der Zeit keine fertigen und fundierten Konzepte erarbeiten. Aber Denkanstöße und neue Sichtweisen können wir sicherlich liefern“, sagte Diplom-Ingenieur Luigi Pantisano vom Städtebau-Institut der Uni Stuttgart vor Projektbeginn. Die Ergebnisse der studentischen Arbeiten wurden am vergangenen Freitag im Rahmen eines Symposiums in den Räumen des IW8 Stuttgart vorgestellt – dort, wo die Studierenden auch in den vergangenen vier Monaten kostenlose Arbeits- und Atelierräume zur Verfügung gestellt bekommen haben.

Die Studenten aus Deutschland, Ägypten und dem arabischen Mittelmeerraum sehen auf jeden Fall auf dem gesamten Areal rund um die Mauserstraße großes Entwicklungspotenzial. Einige Studierende haben sich mit freien und wenig genutzten Flächen sowie Hinterhöfen in dem Gebiet beschäftigt, wie es sie beispielsweise an der Ecke Mauser- und Siemensstraße gibt. Eine Tiefgarage könnte laut den Studenten zum Beispiel den großen bestehenden Parkplatz an dieser Stelle überflüssig machen, so dass die Fläche durch Sitzgelegenheiten und mehr Grün aufgewertet werden könnte. Dabei solle auch bedacht werden, dass es sinnvoll sei, einen Teil der Siemensstraße in diesem Bereich als Fußgängerzone auszuweisen.

Porträtfotos an der Fassade sollen Geschichten erzählen

Vom Individualverkehr befreien wollen die Studierenden auch die Mauserstraße. „Die jetzige Nutzung an der Straße soll bleiben, aber in der Mitte könnte ein neues Quartier entstehen – ähnlich eines Marktplatzes“, sagte Marisol Rivas-Velázquez von der Uni Stuttgart.

Eine andere Gruppe von Studenten hat sich mit der Frage beschäftigt, wie die Mauserstraße und die Flächen drumherum nach 18 Uhr belebt werden könnten. Passanten wurden befragt und Vorschläge gesammelt. Unter anderem wünschten sich viele der Befragten verschiedene Sportangebote – vom Kunstrasenplatz bis zur Squashhalle. Einige können sich ein Kino oder Freilufttheater vorstellen. Bei den Überlegungen spielte auch das IW8 Stuttgart eine Rolle. Das neue Kreativzentrum müsse sich hin zur Mauserstraße öffnen, vielleicht einen Durchgangsbereich zur Siemensstraße schaffen, der als offene Galerie genutzt werden könnte.

Eine Idee der Studierenden ist seit Freitag nun auch schon für jeden sichtbar umgesetzt. An der Fassade des IW8 entlang der Mauserstraße hängen mehr als 50 Plakate, auf denen Menschen zu sehen sind, die in irgendeiner Form in Verbindung mit dem IW8 oder der Mauserstraße stehen. Ihre Porträtfotos sollen einen Teil ihrer Lebensgeschichte erzählen.

Die Projektidee hierzu stammt von dem international bekannten, französischen Fotografen und Straßenkünstler JR, der im Jahr 2011 den mit 100 000 US-Dollar dotierten TED-Preis gewonnen hat und das Projekt „Inside Out“ (von innen nach außen) ins Leben gerufen hat.