Das Logo des Energiekonzerns EnBW. Foto: dpa

Kaum ist die letzte Sparrunde vorbei, stehen bei Deutschlands drittgrößtem Energieversorger EnBW weitere Jobs auf der Kippe. Besonders Verwaltungsposten sind betroffen.

Karlsruhe - „Das Jahr 2014 steht im Zeichen der Umsetzung“, prangte in großen Lettern über dem Vortrag, mit dem EnBW-Chef Frank Mastiaux Ende April dieses Jahres die Aktionäre auf der Hauptversammlung auf den neuen Kurs des Unternehmens einschwor. Nach den strategischen Überlegungen des Vorjahres gehe es nun darum, die Neuausrichtung von Deutschlands drittgrößtem Energieversorger voranzutreiben.

Die Ausgangslage

„Deutlich schlanker“, sagte Mastiaux damals, müsse sich der Konzern aufstellen und sich, „salopp formuliert, deutlich entkonzernen“. Der Frage, was dem Geschäft diene und was den Kunden nutze, müsse sich alles unterordnen. „Was brauchen wir, um im Markt erfolgreich zu sein?“, rief Mastiaux in den Saal und fügte an: „Alles was darüber hinausgeht, werden wir infrage stellen, ohne Ausnahme.“ Heute – rund fünf Monate später – nimmt der neue Kurs Kontur an. Was in Zukunft nötig, was unnötig sein könnte, beginnt sich herauszuschälen.

Der Umbau

Sicher ist schon jetzt: Die Mitarbeiter des Konzerns werden auf allen Ebenen enorm gefordert. Eine „mittlere dreistellige Stellenzahl“ könnte am Ende wegfallen, sagen Branchenkenner, die die Verhandlungen verfolgen. Weil das Unternehmen tief in die Trickkiste greift, Abfindungen und Regelungen zum vorzeitigen Ausscheiden im Gespräch sind, soll alles nicht so schlimm werden. Die Zahl derjenigen, für die es keine Aufgabe mehr im Konzern gibt, soll geringer ausfallen. „Unter hundert“ Mitarbeiter seien – Stand heute – zu viel an Bord, sagt eine mit der Sache vertraute Person.

Die Verwaltung

Sicher ist aber auch das nicht, denn potenziell betreffen die jetzigen Verhandlungen viel mehr EnBW-Beschäftigte. Im Zentrum des Umbaus stehen die rund 1500 Mitarbeiter umfassenden, sogenannten Funktionaleinheiten des Karlsruher Konzerns. Durch sie wird das Unternehmen verwaltet und administrativ gesteuert. Angestellte von Rechtsabteilungen, dem Personalwesen oder dem zentralen Einkauf haben hier ihre Büros. Rund 20 dieser Funktionaleinheiten listet das Organigramm der EnBW aktuell auf. Zu viele, wie man an der Konzernspitze findet. Den Administrativ-Abteilungen stehen nämlich nur neun sogenannte Geschäftseinheiten gegenüber. In diesen Bereichen – plakativ auch als „Maschinenraum“ der EnBW bezeichnet – wird die Arbeit vor Ort verrichtet. Hier werden die Kraftwerke und Windräder gebaut, mit denen das Unternehmen in Zukunft Geld verdienen will, Stromleitungen verlegt oder die Zusammenarbeit mit den Kommunen gesteuert. Die EnBW-Spitze plane nun, „ein gesundes Verhältnis“ zwischen den verwaltenden und den umsetzenden Abteilungen herzustellen, sagt eine mit den Vorgängen vertraute Person. Ein anderer bringt die Devise von Konzern-Chef Mastiaux auf die Formel: „Weg von kaufmännischen, hin zu technischen Bereichen“.

Das Vorgehen

treng abgeschirmt von der Öffentlichkeit, wird schon seit Wochen über die konkrete Umsetzung dieser Pläne verhandelt. Im Konzern ist man darauf bedacht, behutsam vorzugehen und die Arbeitnehmerseite in die Pläne einzubinden. Dass Jobs wegfallen, gilt dennoch als gesichert. Auf Nachfrage bestätigt ein EnBW-Sprecher „Gespräche mit Arbeitnehmervertretern“ über eine „organisatorisch schlankere Aufstellung zunächst in den administrativen Bereichen“. Personalanpassungen erfolgten entweder „durch interne Wechsel mit entsprechenden Qualifizierungsangeboten oder durch freiwillige Austritte“, sagt er. Das soll auch für Topmanager gelten. Durch die geplante Umorganisation müssen auch eine ganze Reihe von Funktionsträgern, etwa Geschäftsführer, um ihre Jobs bangen. Auch im Managementbereich strebe man „einvernehmliche Einigungen an“, heißt es von der EnBW. Dass Freiwilligkeit derzeit im Konzern großgeschrieben wird, hängt auch damit zusammen, dass für Tarifangestellte eine von Verdi und dem Konzern-betriebsrat ausgehandelte Jobsicherung bis maximal Ende 2020 die Handlungsoptionen des EnBW-Managements einschränkt. Eine härtere Gangart, wie sie beispielsweise der Konkurrent Eon bei der vergangenen Sparrunde eingeschlagen hatte, könnte das Klima vergiften und so den Umbau torpedieren.

Die Betriebsräte

Von Pappe sind die Gespräche allerdings wohl auch nicht. „Die Betriebsräte sind waidwund“, heißt es aus Verhandlungskreisen. Offenbar liegen beispielsweise die Vorstellungen, wie viele Stellen betroffen sind, noch meilenweit auseinander. Weiterer Dissens herrscht demnach auch bei der Frage, was für die Mitarbeiter zumutbar ist. Der Konzern kann Kandidaten auf der Streichliste zwar nicht betriebsbedingt kündigen, ihnen aber eine neue Stelle an einem anderen Standort anbieten oder ihnen den Übergang in Altersteilzeit oder eine Umschulung nahelegen. „Das zieht immer Härten nach sich“, sagt ein Eingeweihter. In Interessenausgleichen und Sozialplänen soll das Ausmaß der Kürzungen nun festgeschrieben werden – ein Prozess, der aber trotz wochenlanger Verhandlungen noch am Anfang steht. Die Gewerkschaft Verdi und die Betriebsräte stünden „vor keiner leichten Aufgabe“, sagt der für die EnBW verantwortliche Verdi-Landesfachbereichsleiter Bodo Moray. Es gehe nun darum, den Prozess „so sozialverträglich wie möglich zu gestalten“, sagt der Verdi-Mann, der zugleich im EnBW-Aufsichtsrat sitzt.

Die Wachstumsbereiche

Während in den Verwaltungsbereichen der EnBW also die Angst umgeht, ist die Stimmung in anderen Teilen des Konzerns gelassener. Es gibt nämlich auch Bereiche, in denen sich das Unternehmen personell verstärken will. Im Vordergrund stehen dabei Geschäftsfelder, die entweder sichere Gewinne abwerfen oder die als besonders zukunftsträchtig eingestuft werden. Dazu zählt etwa die Stromerzeugung mittels erneuerbarer Energien, aber auch der Vertrieb oder das Netzgeschäft. Um die Verluste, die viele der EnBW-Großkraftwerke aufgrund der Verwerfungen an den Strommärken einfahren, auszugleichen, plant die EnBW erhebliche Investitionen in erneuerbare Energien, Netze und den Vertrieb. Bis 2020 sollen diese Bereiche die Großanlagen als neue Gewinnbringer ablösen. Zum Teil sollen die Gewinne um bis zu 250 Prozent – verglichen mit heute – steigen. Diese Gewinne müssen durch neue Arbeitskräfte erwirtschaftet werden. Mit den Konzern-Töchtern Netze BW und Transnet BW hat die EnBW beispielsweise den Netzbetrieb – vom Großkraftwerk bis zur Steckdose – noch komplett unter Kontrolle. Infolge der Energiewende stehen hier zahlreiche Projekte an. Beim konzerneigenen Betreiber der Hochspannungsleitungen – der Stuttgarter Transnet BW – herrscht daher Arbeitskräftemangel. Dem Vernehmen nach werden Spezialisten gerade von Fremdfirmen an Transnet BW „ausgeliehen“, um Projekte wie die geplanten Nord-Süd-Stromtrassen abzuarbeiten.