Leandro Bermudez Lafont stammt aus Kolumbien und hat in Genf bei Nathalie Stutzmann Sologesang studiert. Foto: Michael Nuber/z

Der Möhringer Bariton Friedrich Mack gestaltet mit dem kolumbianischen Countertenor Leandro Bermudez Lafont einen besonderen musiklaischen Höhepunkt. Hinter dem Konzert steckt viel Geschichte.

Möhringen - Die Rollenverteilung in Arien der Barockzeit ist klar definiert: die tiefen Stimmen verkörpern die „bad guys“, die hohen die „good guys“. Für den Countertenor Leandro Bermudez Lafont und seinen Kollegen, den Möhringer Bariton Friedrich Mack, ist diese Unterscheidung zwischen den Guten und den Bösen kein Merkmal der Stimmkunst, sondern ein Ansporn, ihrem Gesang auch eine theatralische Note zu geben. Am Sonntag, 28. Mai, um 18 Uhr gestalten sie in der Martinskirche ein Konzert mit dem Titel „Das Zeitalter der Kastraten – Berühmte Arien der Barockzeit“. Unterstützt werden sie dabei von einem Streichquartett und von Kantor Leonhard Völlm, der zu diesem Zweck sein Cembalo einer Generalüberholung unterzogen hat.

Viele der chirurgisch behandelten Jungen überlebten nicht

Als Kastraten werden Sänger bezeichnet, denen vor der Pubertät die Hoden entfernt wurden, um den Stimmwechsel zu verhindern. Da die Kirche den Auftritt von Frauen auf Bühnen und bei Kirchenkonzerten verboten hatte, gab es in der Barockzeit eine Reihe von berühmten Kastraten. Der bekannteste von ihnen war der Italiener Farinelli. Diese Künstler konnten mit einer sehr kräftigen Knabenstimme aufwarten, doch viele der chirurgisch behandelten Jungen überlebten den blutigen Eingriff nicht. Aufgrund ihrer überirdisch schönen Stimme wurden die wenigen erfolgreichen Vertreter allerdings gefeiert wie Superstars.

Verspottet und missbraucht

Einfach war deren Leben dennoch nicht. Viele entwickelten sich zu verspotteten Zwei-Meter-Männern mit einer hohen Sprechstimme und teils deutlichem Brustansatz. Und wer den Sprung in die Karriere nicht schaffte, musste mit Gauklern umherziehen oder sich prostituieren. Die Damen der besseren Gesellschaft wussten nämlich zu schätzen, dass Kastrate durchaus sexuelle Wünsche erfüllen konnten, ohne dass die Gefahr bestand, einen Bastard in die Welt zu setzen.

Ein Countertenor aus Kolumbien

Heute gibt es glücklicherweise keine Kastraten mehr, deren Aufgaben haben neben den Sängerinnen Countertenöre übernommen. Sie sind in der Lage, mit Hilfe einer durch Brustresonanz verstärkten Kopfstimme oder mittels Falsett in den hohen Lagen zu singen. Wie bei den Frauenstimmen auch gibt es dabei den Typus des Altus und den Sopran-Countertenor, wobei die Grenzen hier fließend sind. Leandro Bermudez Lafont gehört eher zu den Sopranisten. Der junge Kolumbianer hat in Basel und zuletzt in Genf bei Nathalie Stutzmann Sologesang studiert. Er lebt in der Nähe von Karlsruhe.

Vivaldi und Händel

Der Klang von Countertenorstimmen, die in Sopranlage das dreigestrichene C erreichen können, ist runder, wärmer als der ihrer Vorgänger aus der Barockzeit. Das findet zumindest Friedrich Mack, der gemeinsam mit dem jüngeren Kollegen das Programm entwickelt hat. Es umfasst bekannte Arien von Antonio Vivaldi und Georg Friedrich Händel sowie ein Duett aus dessen Oper „Julius Cäsar“.

Ein Streichquartett namens Morello Consort

Begleitet werden die beiden Sänger vom Morello Consort. Das Streichquartett, bestehend aus den Geigern David Müller und Stefanie Brose, der Bratschistin Camila Munoz und der Cellistin Maria Stötzer, hat sich für diese Gelegenheit zusammengetan und sich nach dem Stuttgarter Wappentier benannt: morello lautet das italienische Wort für Rappe. Ergänzt wird das Programm um Antonio Vivaldis Concerto alla rustica in G-Dur und den ersten Satz von Johann Sebastian Bachs Concerto Nr. 1 in d-Moll für Cembalo und Streicher.

Das Vorbild fürs Kostüm: Herzog Carl Eugen

„Wir versuchen, die Atmosphäre, die das Zeitalter der Kastraten ausmachte, so genau wie möglich wiederzugeben“, erläutert Kantor Völlm. Dazu gehört auch die Kostümierung, von der Möhringer Kostümbildnerin Katja von Rohrscheidt gestaltet. Als Vorbild diente ihr ein Kostüm des Herzogs Carl Eugen, dessen Originalschnitt im Modemuseum in Ludwigsburg ausgestellt wird.

„Er hatte in etwa meine Größe und war von ähnlichem Körperbau“, erzählt der Bariton Mack, „aber trotzdem zwickte und zwackte es anfangs. Die Leute konnten sich damals nicht wirklich gut bewegen.“ Zum Singen nicht die beste Voraussetzung, und so musste das Kostüm noch einmal geändert werden. Die Haarpracht aber ist aus dem Privatbesitz des Sängers. „Solche Perücken sind nicht schwierig zu finden“, sagt Friedrich Mack, „aber sie sind sehr teuer.“

Das Konzert „Das Zeitalter der Kastraten“ in der Martinskirche, Oberdorfplatz 14, am Sonntag, 28. Mai, beginnt um 18 Uhr. Der Eintritt ist kostenfrei; es wird um Spenden gebeten.