Martin Schulz stellt sich am Dienstagabend in der Sendung „Klartext, Herr Schulz!“ im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin Foto: ZDF

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz will der Kanzlerin eine zweite Auseinandersetzung im Fernsehen abringen. Angela Merkel wird niemals darauf eingehen – und Schulz weiß um die Aussichtslosigkeit seines Vorschlags, meint Matthias Schiermeyer.

Stuttgart - SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz rackert sich bis zum Schluss durch einen für ihn schwierigen Wahlkampf – auch im Südwesten. In der Endphase hat er diverse Stationen in Baden-Württemberg auf dem Programm: an diesem Mittwochnachmittag auf dem Böblinger Marktplatz, am Samstag in Freiburg und Karlsruhe sowie am kommenden Dienstag in Heidelberg.

Der direkte Kontakt zu den Bürgern, das ist nach wie vor sein Chance, um das Wahlergebnis noch erträglich zu gestalten. Am Dienstagabend hat er sich in der ZDF-Sendung „Klartext, Herr Schulz!“ erneut einem Publikum im Fernsehstudio gestellt – und dabei mit einer Überraschung aufgewartet. Demnach fordert Schulz von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ein zweites TV-Duell, weil die für ihn erfolgversprechenden Themen auf dem sozialen Feld im ersten Duell nicht ausreichend berücksichtigt wurden. So hat er Merkel einen Brief geschrieben: Ihn erreichten viele Briefe und Anrufe von Bürgern, deren berechtigte Fragen am 3. September nicht beantwortet worden seien, heißt es darin. „Aus diesem Grunde fordere ich ein zweites TV-Duell vor der Bundestagswahl.“ Er sei jederzeit dazu bereit. Via Twitter assistiert SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann: Die Wähler hätten ein Recht auf ein zweites Duell, in dem die Alltagssorgen der Menschen im Mittelpunkt stehen.

Merkel-Lager will kein zweites Duell

Es war in der Tat eine große Schwäche des ersten Duells, dass es fast vollständig beherrscht wurde von Flüchtlingsfragen und außenpolitischen Themen. Schulz weiß jedoch sehr gut, dass sein Vorschlag nicht den Hauch einer Chance hat. Schon die erste Debatte war nur in sehr harten Verhandlungen zustande gekommen, in denen das Merkel-Lager den Fernsehverantwortlichen von ARD, ZDF, RTL und ProSieben/Sat.1 praktisch die Bedingungen diktierte. Schon damals wurde ein zweites Aufeinandertreffen strikt abgelehnt. Ziel war ein enges Korsett, um Schulz möglichst wenig Raum zur Entfaltung zu geben. Das Konzept ging auf: dem SPD-Chef gelang es nicht, das Duell zu dominieren – nicht nur, weil er zu wenig auf Angriff setzte.

Ein zweites Duell zuzugestehen, wäre aus Merkel-Sicht das Eingeständnis, von vorneherein die falsche Strategie gewählt zu haben. So muss man Schulz’ Aufforderung als verzweifeltes Wahlkampfmanöver werten – bestenfalls als Signal: Seht her, Merkel drückt sich (wieder einmal) vor der Auseinandersetzung. Stimmt: die Kanzlerin entzieht sich dem offenen Streit, weil er für sie unkalkulierbar erscheint. Doch Schulz’ Wunsch nach einer Neuauflage ist wohl eher als Weckruf an die eigenen Reihen gedacht.

Stärkere Mobilisierung des eigenen Anhangs

Ein kleiner Trost dürfte es für Schulz somit sein, dass er in dem aktuellen „Stern“-RTL-Wahltrend bei der Kanzlerpräferenz um einen Prozentpunkt zulegt – Merkel allerdings auch. Wenn der Regierungschef direkt gewählt werden könnte, würden sich 22 Prozent aller Wahlberechtigten für Schulz entscheiden und 48 Prozent für Merkel, so die Erkenntnisse des Forsa-Instituts. Bei den SPD-Anhängern klettert sein Wert um sechs Punkte auf 74 Prozent, was auf eine verstärkte Mobilisierung des eigenen Lagers hindeutet, während Merkel bei den Unionsanhängern lediglich einen Punkt hinzugewinnt – auf 94 Prozent.