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EdF und Mappus vereinbarten Zusatzzahlung, sollte Land seine Aktien über alten Preis verkaufen.

Stuttgart - Der milliardenschwere Wiedereinstieg des Landes bei der EnBW entwickelt sich immer mehr zu einer schweren Hypothek – für die Landesregierung wie für das Unternehmen. Und ein Ende der Turbulenzen ist nicht absehbar. Nach Recherchen unserer Zeitung besteht der französische Staatskonzern Electricité de France (EdF) auf einen finanziellen Nachschlag, sollte das Land die Aktien noch in diesem Jahr über dem einstigen Kaufpreis von 41,50 Euro verkaufen. Das geht aus dem streng vertraulichen Kaufvertrag hervor, der unserer Zeitung vorliegt.

Codewort „Olympia“

Demnach bestand die EdF im Dezember 2010, als der damalige Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) den Franzosen den 46-prozentigen Anteil an der EnBW für knapp fünf Milliarden Euro abkaufte, auf eine Art Nachhonorierung. Offenbar waren die Franzosen der Ansicht, dass Baden-Württemberg die Anteile zu einem vergleichsweise günstigen Preis gekauft hatte und wollten bei einem Weiterverkauf innerhalb der ersten zwei Jahre mitverdienen. Also wurde in den geheimen Verhandlungen unter dem Codewort „Olympia“ folgender brisanter Passus in den Vertrag aufgenommen. Sollte Mappus die Anteile an der EnBW innerhalb der ersten sechs Monate – also bis Mitte 2011 – über dem Preis von 41,50 Euro wieder abstoßen, hätte Baden-Württemberg die Mehrerlöse komplett nach Paris abführen müssen. Wäre ein solcher Weiterverkauf zwischen sechs und zwölf Monaten nach Vertragsabschluss zustande gekommen, wären es 75 Prozent gewesen. Hätte das Land einen neuen Aktienbesitzer im Zeitraum zwischen einem und eineinhalb Jahren gefunden, hätte man die Hälfte des Gewinns an die EdF überweisen müssen. In den verbleibenden sechs Monaten bis Ende dieses Jahres, wenn der Vertrag zwei Jahre alt ist, müsste die grün-rote Regierung noch 25 Prozent des Mehrerlöses abgeben.

Nun denkt Grün-Rot nach eigenen Angaben „mittelfristig“ nicht an einen Verkauf der Landesbeteiligung, zumal sich der Wert pro Aktie auf zuletzt 34 Euro verschlechtert hat. Die bislang unbekannte Zusatzvereinbarung wirft aber neue Fragen nach der Entstehung des Kaufpreises auf. Bekanntlich halten Grüne und SPD Mappus vor, er habe damals einen zu hohen Preis gezahlt und den Deal nur gemacht, um nach dem Debakel um Stuttgart 21 aus dem politischen Tief zu kommen. Unklar ist, welche Beweggründe die EdF für diese Zusatzvereinbarung hatte. Variante eins: Man hätte von Mappus gerne mehr Geld gehabt, das lehnte der aber ab, also trotze man ihm den Nachschlag ab. Variante zwei: Die EdF wusste, dass Mappus politisch unter Druck stand, er die EnBW-Anteile unbedingt haben wollte – und er deshalb auch den Zusatz akzeptierte.

„Wir können den Weg nicht zurückgehen“

Die EdF selbst will zu allen diesen Fragen nichts mehr sagen. Erst vor kurzem hatte der Untersuchungsausschuss des Landtags einen Fragenkatalog nach Paris geschickt und sich erhofft, die Franzosen würden mit ihren Antworten die Hintergründe des damaligen Deals aufklären. Aber die EdF hat das aus Verärgerung darüber abgelehnt, dass sie von Grün-Rot vor dem Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer in Paris wegen des vermeintlich überteuerten Kaufpreises verklagt worden ist.

Diese Schadenersatzklage, verbunden mit dem Ziel, zwei Milliarden Euro von der EdF zurückzuerhalten und ergänzt durch die Drohung, sonst aus dem Energiekonzern auszusteigen, sorgt denn auch weiter für Turbulenzen. Während Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) vergangene Woche die Klage verteidigt hatte und keinen Widerspruch darin sieht, dass man einerseits an den EnBW-Anteilen festhalte, andererseits aber mit dem Ausstieg liebäugelt, geht der Koalitionspartner auf Distanz. „Wir können den Weg nicht zurückgehen“, so Grünen-Landeschef Chris Kühn. Man wolle den früheren Atomkonzern zu einem führenden Unternehmen in Sachen erneuerbare Energien umbauen. Kühn sagte, man unterstütze die Klage grundsätzlich, aber: „Ziel muss sein, dass das Unternehmen in ruhigeres Fahrwasser kommt.“

Davon kann derzeit aber keine Rede sein. In der Finanzmarktszene mehrt sich die Verwunderung über das Vorgehen von Grün-Rot. Mit der Schadenersatzklage stufe das Land den Wert der EnBW-Aktie vor dem Unglück von Fukushima rückwirkend nur bei 24 bis 25 Euro ein. In der vergangenen Woche, und damit lange nach der Atomkatastrophe, hatte der EnBW-Aufsichtsrat – in dem auch Minister Schmid sitzt – den Preis für neue Aktien aber bei 30,90 Euro festgesetzt. „Das passt nicht zusammen“, sagte ein Branchenkenner unserer Zeitung.