Stefan Mappus Foto: dapd

Ex-Regierungschef Mappus geht beim EnBW-Deal in Offensive - Gespräch mit unserer Zeitung.

Stuttgart - Was lief falsch, was war richtig beim EnBW-Deal von Stefan Mappus? Es ist neben Stuttgart 21 das beherrschende Thema der vergangenen Monate. Nun bricht der Ex-Ministerpräsident im Interview mit unserer Zeitung sein Schweigen.

Herr Mappus, Sie wollten beim Pharmakonzern Merck einen beruflichen Neustart machen und geben nun nach vier Monaten überraschend auf. Wieso jetzt?

Es hat in den vergangenen Wochen diffamierende Angriffe und Verleumdungen gegen meine Person und die von mir geführte Landesregierung im Zusammenhang mit dem Einstieg des Landes bei der EnBW AG gegeben. Dagegen will und muss ich mich angemessen wehren. Aber dies ist mit der zeitlichen Inanspruchnahme durch meine Tätigkeit für die Merck KGaA, zumeist im Ausland, nicht zu leisten. Ich möchte deshalb jetzt meinen Teil dazu beitragen, dass die Zusammenhänge wahrheitsgemäß dargestellt werden. Das ist für mich eine Frage der Ehre. Ehre kommt vor Karriere!

Wenn Sie erstmal in Brasilien gewesen wären, hätten Sie die Entwicklung der EnBW relativ gelassen aus der Ferne beobachten können.

Ich musste in den letzten Wochen verfolgen, wie mit häufig verdrehten, teilweise auch unwahren Behauptungen dieses Thema bewusst eskaliert wurde. Im Übrigen werde ich das Gefühl nicht los, dass dieser Themenbereich von interessierter Seite auch bewusst in die Länge gezogen wird, um von anderen Entwicklungen in der Landespolitik wie z.B. dem Koalitionsstreit um Stuttgart 21, der ständigen Stellenvermehrung in den Ministerien, einer chaotischen Bildungspolitik und anderem mehr abzulenken. Man will gar keine rasche Aufklärung. Dies ist aber für mich wie auch für meine Familie eine unerträgliche, sehr belastende Situation. Außerdem können Sie nicht gleichzeitig in einem anderen Kontinent eine Landesgesellschaft führen und sich in Baden-Württemberg politisch zur Wehr setzen.

Sie verlassen Merck also, weil Sie fürchten mussten, aus der Ferne nur mehr reagieren, aber nicht agieren zu können?

Dies war ein wesentlicher Aspekt. "Wer schweigt, stimmt zu." Diesen Eindruck kann und will ich aber nicht zulassen. Deshalb habe ich auch meinen Amtsnachfolger in einem Schreiben gebeten, mich von meiner Pflicht zur Verschwiegenheit in dieser Sache zu befreien. Ich bin nicht länger bereit, mir alles gefallen zu lassen!

Es heißt, der Personalrat von Merck habe gesagt, die anhaltende Debatte um Ihre Person schade dem Unternehmen, eine Trennung sei deshalb besser. Stimmt das?

Von einer solchen oder ähnlichen Äußerung habe ich nichts gehört, auch nicht über Dritte.

Sie begründen Ihren Entschluss damit, jetzt wehrhaft und reaktionsfähig sein zu wollen. Was heißt das konkret?

Sobald ich von der Pflicht zur Verschwiegenheit befreit werde, werde ich jeden Kritikpunkt widerlegen. Teilweise wurde dies durch die Fachpresse bereits getan. Was ich natürlich nicht widerlegen kann, sind die Vorwürfe in verfassungsrechtlicher Hinsicht. Als Demokrat habe ich das Urteil des Staatsgerichtshofes natürlich zu akzeptieren. Gleichwohl hat es mich sehr überrascht, denn genau dazu hatten wir ja hochrangige juristische Expertise eingeholt.

Die Liste der Vorwürfe ist lang: Sie hätten den Beratervertrag ohne Ausschreibung ihrem Freund Dirk Notheis gegeben. Zugleich wird Ihnen vorgehalten, die EnBW-Anteile seien zuvor nicht sauber bewertet worden, Sie hätten den Landtag umgangen und das Notbewilligungsrecht der Verfassung missbraucht.

Sehen Sie, genau darum geht es mir, diese einfach zu widerlegenden Vorwürfe jetzt auch zu widerlegen. Das Vergaberecht, einbezogen europäisches Vergaberecht, sieht genau für solche Fälle die Möglichkeit vor, nicht auszuschreiben. Die Vertraulichkeit war im Interesse des Preises und somit des Landes unbedingt notwendig. Wie soll man denn Vertraulichkeit wahren, wenn zuvor eine öffentliche oder begrenzte Ausschreibung stattfindet? Auch dies wurde zuvor eingehend rechtlich geprüft. Morgan Stanley haben wir engagiert, weil sie für diese Aufgabe hoch qualifiziert waren: Sie haben den Börsengang der EdF gemacht und kannten die Entscheider dort sehr gut. Desweiteren gehören sie zu den Konsortialbanken der EnBW, so dass sie auch diese Seite des Geschäftes sehr gut kannten. Klar ist aber auch, dass ich Herrn Dr. Notheis nicht angesprochen hätte, wenn er nicht Chef einer internationalen Spitzen-Investmentbank gewesen wäre. Die EnBW ist im Übrigen ein börsennotiertes Unternehmen und es hat entgegen den Unterstellungen vor der Transaktion selbstverständlich zur Bewertung eine umfassende "Due Dilligence" auf Basis aller öffentlich verfügbaren Informationen stattgefunden. Es wurde dasselbe Verfahren wie z.B. bei den Transaktionen PPR/Puma oder VW/MAN angewandt.

Würden Sie im Rückblick heute noch einmal alles gleich machen, inclusive des Engagements Ihres Trauzeugen Dirk Notheis?

Noch so ein Märchen: Herr Dr. Notheis ist nicht mein Trauzeuge! Aber auch dies wurde kontinuierlich gestreut, um diese Transaktion zu skandalisieren. Natürlich würde ich nach dem Urteil des Staatsgerichtshofes den gewählten Rechtsweg heute nicht mehr so beschreiten. Dass diese Transaktion aber ökonomisch so falsch nicht gewesen sein kann, können Sie alleine daran sehen, dass die EnBW-Aktie vor der Finanzkrise bei 60 Euro stand, wir aber für 40 Euro plus 1,50 Euro Dividendenersatz für 2010 gekauft haben. Letzte Woche lag der Aktienkurs übrigens wieder bei knapp 40 Euro! So viel zum angeblichen Milliarden-Verlust.

Welche Rolle hat für Sie das Urteil des Staatsgerichtshofs gespielt, wonach die Nichtbeteiligung des Landtags verfassungswidrig war?

Dieses Urteil wurde aus meiner Sicht in der politischen Diskussion in Teilen missbraucht und bewusst eskaliert. Das Gericht hat ja ausdrücklich anerkannt, dass es für diese besondere Situation keine klare rechtliche Regelung gibt. Es hat sogar den konkreten Vorschlag gemacht, dies gesetzlich zu konkretisieren - was spannenderweise von Grün-Rot postwendend abgelehnt wurde. Genau deshalb war es jetzt an der Zeit, mich zur Wehr zu setzen. Dies ist aber mit einer beruflichen Tätigkeit auf einem anderen Kontinent nicht vereinbar.

Als Sie den EnBW-Deal im Dezember 2010 verkündeten, sah es nach einem politischen Coup kurz vor der Landtagswahl aus. Aber davon ist außer einem Scherbenhaufen nichts übrig. Haben Sie zu eigenmächtig gehandelt?

Ich habe in bester Absicht gehandelt, das dürfen Sie mir abnehmen. Ich bin überzeugt, dass man bei sachlicher Würdigung der Fakten die politischen und ökonomischen Entscheidungen, die wir bei dieser Transaktion getroffen haben, als richtig erkennen muss. Die Kritik für den juristischen Weg muss ich akzeptieren, und ich nehme sie selbstverständlich an. Im Übrigen wäre nach der Entscheidung des Staatsgerichtshofes die einzige Alternative zu unserer damaligen Vorgehensweise diejenige gewesen, dieses Geschäft nicht zu tätigen. Ich bin aber nach wie vor davon überzeugt, dass es für die Zukunft unseres Landes richtig und wichtig war. Die EnBW ist ein großartiges, baden-württembergisches Unternehmen. Und das muss so bleiben!

Vieles deutet darauf hin, dass die ganze Affäre noch von einem Untersuchungsausschuss des Landtags aufgearbeitet wird. Haben Sie Sorgen vor einem solchen Gremium?

Ich habe nichts zu verbergen, im Gegenteil. Deshalb begrüße ich ausdrücklich die Prüfung des Landesrechnungshofes. Ich war, bin und bleibe davon überzeugt, mit allen anderen Beteiligten nach bestem Wissen und Gewissen zum Wohle des Landes gehandelt zu haben, genauso, wie ich dies zu meinem Amtsbeginn geschworen habe.

SPD und Grüne sagen, im Staatsministerium lägen zum EnBW-Deal praktisch kaum Akten vor. Wurden Schriftstücke erst gar nicht ausgestellt oder womöglich beiseite geschafft?

Ich habe meinem Amtsnachfolger in einem Schreiben mitgeteilt, dass mich Form und Inhalt solcher Darstellungen befremden. Nach meiner Erinnerung sind mindestens zehn Aktenordner zu diesem Themenbereich alleine in der zuständigen Abteilung im Staatsministerium vorhanden. Hinzu kommen jede Menge Unterlagen der Neckarpri als übernehmende Landesgesellschaft, jetzt im Zuständigkeitsbereich des Finanzministeriums. Hier den Eindruck zu erwecken, es wären quasi Akten beiseite geschafft worden, ist nicht nur sachlich falsch, sondern schlicht unanständig.

Der Name Mappus stand stets für eine klare politische Linie und eine klare Kante. Nun steht der Verdacht des Tricksens und Täuschens im Raum? Wie sehr trifft Sie das?

Dies war der entscheidende Grund, mich jetzt mit voller Konzentration auf beschriebenem Wege zur Wehr zu setzen. Weder wurde getrickst, noch getäuscht. Ich lasse mir diese Anwürfe und unwahren Behauptungen nicht mehr gefallen.