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Am Freitag tagt der U-Ausschuss, um den EnBW-Deal aufzuklären. Die Fronten sind verhärtet.

Stuttgart - Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Freiburg vor einigen Tagen: Stefan Mappus ist zu Gast bei der Verleihung der Ehrenmütze der örtlichen Narrenzunft. Vor einem Jahr hat er sie selbst aufgesetzt bekommen, nun muss er die Laudatio auf den neuen Würdenträger halten.

Aber bevor er seine Büttenrede hält, reißt er sich das Hemd vom Leib. Darunter kommt ein Trikot des SC Freiburg hervor, auf dem Rücken prangt die Nummer eins und der Name Mappus. Ein Schelm, der glaubt, das sei ein Fehler, immerhin ist Mappus nicht mehr die Nummer eins im Land. Aber den ehemaligen Regierungschef ficht das nicht an, er rückt sich lieber selbst ins Zentrum des Spotts, streift Themen wie Stuttgart 21, bilanziert die Arbeit seines Nachfolgers Winfried Kretschmann und trauert der verpassten Chance nach, dass er jetzt eigentlich auf dem Weg nach Brasilien sei, wo er für den Pharma-Konzern Merck das Südamerika-Geschäft leiten sollte. Doch die Turbulenzen um den EnBW-Deal und den bevorstehenden Untersuchungsausschuss im Landtag hätten diese Lebensplanung durchkreuzt. Und so reimt er: „Jetzt sitz ich da mit meiner Ehrenmütz, und ärger mich wie der Blitz. Statt Caipi am Strand von Rio, Untersuchungsausschuss in Stuttgart – lecko mio.“

„Die Stimmung ist völlig vergiftet“

Der Saal tobt, die Fasnachtsgemeinde haut sich prustend auf die Schenkel, und Mappus lacht dieses Lachen, das manchmal an den Ausbruch eines Vulkans erinnert. Allein, es wird in den nächsten Wochen bei diesem Thema nicht mehr so lustig zugehen. Denn der Untersuchungsausschuss – der erste in dieser neuen Legislaturperiode – dürfte eine Mischung aus Aufklärung und Abrechnung werden. „Die Stimmung ist völlig vergiftet“, sagt ein erfahrener Beobachter des parlamentarischen Betriebs in Stuttgart.

In der Tat sind die Fronten verhärtet. Auf der einen Seite Grüne und SPD, die Mappus vorwerfen, er habe sich im Dezember 2010 als Wirtschaftsfachmann profilieren wollen und im Alleingang den fünf Milliarden Euro teuren Wiedereinstieg des Landes bei der Energie Baden-Württemberg durchgeboxt. Auf der anderen Seite CDU und FDP, die jene Kritik der heutigen Regierung durchaus nachvollziehen – immerhin hatte Mappus auch sie in die Entscheidung nicht eingebunden –, die nun aber der neuen Regierung eine Stimmungsmache gegen Mappus vorhalten.

Codewort „Olympia“

Dabei ist die Faktenlage klar. Mappus hatte seinerzeit nur einen kleinen Kreis an Vertrauten in seinen Plan eingeweiht, die Anteile der EnBW vom französischen Staatskonzern EdF zurückkaufen zu wollen. Niemand sollte im Vorfeld etwas über den Coup erfahren, alle Beteiligten verständigten sich nur unter dem Codewort „Olympia“. Offenbar hatte der Ministerpräsident größte Sorge, jemand könne ihm angesichts schlechter Umfragewerte wenige Monate vor der Landtagswahl das prestigeträchtige Geschäft kaputtmachen.

Wie groß die Skepsis war, bekam sein damaliger Finanzminister Willi Stächele (CDU) zu spüren. Erst in der Nacht vor der Vertragsunterzeichnung zwischen Land und EdF hatte Mappus ihn nach Stuttgart rufen lassen und ihm den Deal offenbart. Stächele blieb kaum Zeit zur Prüfung der Unterlagen, und so unterschrieb er das sogenannte Notbewilligungsrecht. Es kommt normalerweise nur zur Anwendung, um außergewöhnliche Ausgaben ohne Beteiligung des Landtags wie zum Beispiel bei Naturkatastrophen freizugeben. In diesem Fall besiegelte Stächele den EnBW-Deal und damit die Tatsache, dass der Landtag umgangen wird. Eine Entscheidung, die später vom Staatsgerichtshof als verfassungswidrig verurteilt wurde. Stächele musste als Landtagspräsident, der er inzwischen geworden war, zurücktreten.

Warum handelte Mappus in dieser Eile?

Wieso aber konnte es überhaupt so weit kommen, warum handelte Mappus in dieser Eile? Darauf gibt es bis heute keine schlüssige Antwort. Er habe verhindern wollen, dass ein ausländischer Investor bei der EnBW einsteigt und der baden-württembergische Energiekonzern von Gazprom in Moskau oder einem anderen Energiekonzern irgendwo auf der Welt gesteuert wird, sagte Mappus wiederholt. Belege für derartige Befürchtungen gibt es bis heute zwar nicht. Fakt ist aber, dass die EdF jahrelang versucht hatte, bei der EnBW die Mehrheit zu übernehmen. Nach Informationen unserer Zeitung gab es Pläne in Paris, das Kernkraftengagement des Konzerns im Ausland weiter auszubauen und dafür Kapital der EnBW zu nehmen. Doch der andere Hauptanteilseigner – die bodenständigen Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) – hatten sich vehement dagegen gewehrt. „Wir hätten nichts mehr zu melden gehabt“, erinnert sich einer aus der OEW-Führungsriege. Man habe deshalb „stets Kontakt mit dem Staatsministerium“ gehalten.

Waren es also diese Warnrufe, die in Mappus die Idee reifen ließen, den 45-Prozent- Anteil von den Franzosen zurückzukaufen? Möglicherweise wird er darauf eine Antwort geben, wenn er am 9. März als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss erscheint. Überhaupt wird dieser Auftritt mit großer Spannung erwartet. Denn seit Wochen liefern sich Grün-Rot auf der einen Seite und Mappus sowie die Investmentbank Morgan Stanley auf der anderen Seite ein verbales Dauergefecht.

Nächstes Scharmützel folgt

Mal hält die grün-rote Regierung dem damaligem Ministerpräsidenten vor, er habe das Geschäft überhaupt nicht ordnungsgemäß prüfen lassen und einen viel zu hohen Preis – nämlich 41,50 Euro pro Aktie – bezahlt. Kaum steht der Vorwurf im Raum, legt Morgan Stanley von Mappus-Freund Dirk Notheis den Beleg vor, es habe sehr wohl eine solche Expertise gegeben. An einem anderen Tag hält Staatsministerin Silke Krebs (Grüne) dem Ex-Ministerpräsidenten und dem Morgan-Stanley-Chef Notheis vor, es gebe von damals praktisch keine Akten. Dann wiederum schlägt die Bank zurück und macht klar, die grün-rote Regierung könne seit Herbst in einen virtuellen Datenraum, um alle Unterlagen des Geheimgeschäfts zu prüfen, habe aber erst kurz vor Weihnachten die Zugangsdaten angefordert.

Kaum hat sich diese Aufregung halbwegs gelegt, folgt das nächste Scharmützel. Nun geht es um den Regierungsbericht, der seit wenigen Tagen vorliegt. Die Botschaft von Grün-Rot: Mappus habe sich damals über die Bedenken der beratenden Anwaltskanzlei Gleiss Lutz hinweggesetzt, denn die hätten davor gewarnt, den Kauf ohne Beteiligung des Landtags zu vollziehen.

Mappus wirft der neuen Landesregierung ein „skandalöses“ Verhalten vor, weil Fakten unterdrückt würden. Es gebe sehr wohl von damals eine E-Mail der Kanzlei. Darin habe der bei Gleiss Lutz federführende Anwalt Martin Schockenhoff der Bank und dem Ministerpräsidenten sehr wohl grünes Licht für das Geschäft ohne Beteiligung des Landtags gegeben. Hat also Grün-Rot den Bericht lückenhaft verfasst, um Mappus in die Bredouille zu bringen? Nun hat die Regierung zurückgeschlagen und belegt, dass jene alles entscheidende E-Mail von Gleiss Lutz an Morgan Stanley erst vergangenen Montag – also nach Mappus’ Lügenvorwurf gegen Grün-Rot – im Datenraum aufgetaucht sei. Warum? Offenbar hatte die Bank die Mail versehentlich nicht in den Datenraum gestellt. Ulrich Sckerl von den Grünen glaubt das nicht. „Schluss mit Tricksereien, Herr Mappus“, schäumt er.

Umstände des EnBW-Deals werden zunehmend mysteriös

Kein Zweifel: Die Umstände des EnBW-Deals werden zunehmend mysteriös, und die Stimmung zwischen den Lagern im Vorfeld der ersten Sitzung des Untersuchungsausschusses an diesem Freitag könnte vergifteter kaum sein. Vor allem das Verhalten von Gleiss Lutz gibt Insidern zunehmend ein Rätsel auf. Einerseits wirbt die Kanzlei für sich als „eine der anerkannt führenden, international tätigen Anwaltskanzleien Deutschlands“. Andererseits sind erfahrene Juristen mehr denn je davon überzeugt, dass sich die Kanzlei damals mit der Beratung von Mappus und der Empfehlung, der Regierungschef könne das Parlament bei dem Deal außen vor lassen, völlig vertan hat. „Die haben sich schlichtweg geirrt und kämpfen jetzt um ihren Ruf“, sagt ein Insider. Gut möglich, so heißt es, dass Gleiss Lutz deshalb besagte E-Mail, die Mappus entlastet und die Kanzlei belastet, bewusst nicht zu den Akten für die grün-rote Regierung gelegt habe, um vom eigenen Versagen abzulenken. Am Mittwoch aber löst sich diese Vermutung in Luft auf: Die CDU findet die E-Mail von Gleiss Lutz an Morgan Stanley in den ersten 31 Aktenordnern, die die Kanzlei dem Untersuchungsausschuss überlassen hat.

Einer sieht die Entwicklung und den bevorstehenden Untersuchungsausschuss mit besonders großer Sorge: Der scheidende EnBW-Vorstandschef Hans-Peter Villis. „Die EnBW ist zwar Teil des Namens, aber nicht Gegenstand des Untersuchungsausschusses“, sagt Villis. Man hätte als Konzern auf diese Publizität durchaus verzichten können und befürchte nun, dass durch die ständige Nennung der EnBW im Zusammenhang mit dem Ausschuss der Blick auf die Leistungen des Unternehmens wie zum Beispiel den Ausbau der erneuerbaren Energien verstellt werde. Der Appell des Konzernchefs an den Ausschuss klingt deshalb eindringlich: „Ich wünsche mir einen sachlichen Verlauf des Untersuchungsausschusses.“