Die Künstlerin Romana Menze-Kuhn an ihrem Kunstobjekt. Foto: dpa

Der Spruch „Ist das Kunst oder kann das weg?“ bekommt in diesem Fall eine ganz angewandte Bedeutung: In Mannheim hat eine übereifrige Putzfrau ein Kunstwerk entsorgt und wurde damit gleich Teil davon.

Mannheim - Zu bizarren Formen sind goldfarbene Rettungsfolien auf dem Fußboden einer Mannheimer Kirche gefaltet. „Das muss weg“, mag sich eine Putzfrau gedacht haben und räumte gründlich auf. Teile des Kunstwerks kamen in den Müll. „Ich war erstmal sehr schockiert und dachte, das kann doch gar nicht sein“, sagt Künstlerin Romana Menze-Kuhn, die das Werk „Behausung 6/2016“ seit Mitte Januar in der Philippuskirche ausstellt. Bei der Installation geht es um Menschen in Not auf der Suche nach einer Unterkunft. Zum Trost: Schon Werke weltbekannterer Künstler wie Joseph Beuys wurden zweckentfremdet oder weggeworfen.

Werk trägt jetzt den Namen 6a/2016

„Ich war natürlich entrüstet und sprachlos“, erinnert sich Menze-Kuhn an den Anruf, in dem ihr die Pfarrerin Ende Januar von dem Malheur berichtete. Ihr sei schnell klar gewesen, dass sich die Installation nicht reparieren ließ. Daher habe sie die vom Boden abgerissenen Folien mit der Mülltonne, in die sie geworfen wurden, in ihr Werk integriert. „Damit hat es eine neue Bedeutung bekommen.“ Und trägt daher jetzt den Namen 6a/2016.

Verstehen kann die 1957 geborene Künstlerin, die im hessischen Eschborn lebt und arbeitet, die Putzfrau nicht. Schließlich sei das Werk mit den auf dem Boden festgeklebten Folien, die skulptural so geformt gewesen seien wie Zuflucht suchende Menschen, als Einheit deutlich zu erkennen gewesen. „Ich habe mich schon sehr geärgert, das ist eine Respektlosigkeit. Man kann über Kunst denken wie man will, aber dass man in Kunst eingreift und etwas wegnimmt, das hat mich schon sehr empört.“

Auch Pfarrer Gerd Frey-Seufert betonte, die Installation sei klar als Gesamtensemble zu erkennen gewesen. Die Reinigungsfirma sei informiert gewesen. Für die Putzfrau soll der Vorfall nach Frey-Seuferts Wunsch aber keine weiteren Folgen haben. „Das ist ihr peinlich genug.“

„Mir blieb gleich zweimal die Luft weg.“

Pfarrerin Kyra Seufert sagte der Zeitung „Mannheimer Morgen“: „Mir blieb gleich zweimal die Luft weg.“ In neun Jahren Kunst im Kirchenraum sei so etwas noch nie passiert. Die neu getroffene Aussage der Künstlerin zu ihrem Werk mache sie vor dem Hintergrund des Umgangs mit Flüchtlingen ebenfalls sprachlos. Menze-Kuhn schrieb dazu auf ihrer Internetseite: „Die wie Körper geformten Skulpturen, die vor, hinter und auf der Treppe zum Altar lagen, sind in der Mülltonne entsorgt worden.“

Zum Ende der Ausstellung an 14. Februar haben die Beteiligten Gelegenheit, sich über das Kunstwerk und dessen nachträgliche Veränderung auszutauschen. Geplant ist ein „artGottesdienst“ in der Kirche mit Diskussion.

Nach der rabiaten Aufräumaktion findet sich Menze-Kuhn in einer Reihe mit namhaften Künstlern, deren Werke ebenfalls der Ignoranz zum Opfer fielen. Joseph Beuys traf es gleich zweimal: 1973 wurde eine mit Mullbinden und Heftpflaster versehene Badewanne in Leverkusen bei einem lustigen Parteiabend zum Spülen von Gläsern missbraucht und 1986 verschwand seine berühmte Fettecke in der Düsseldorfer Kunstakademie im Putzeimer des Hausmeisters. In einem Dortmunder Museum schrubbte 2011 eine Putzfrau eine Gummiwanne sauber und beschädigte damit ein Werk von Martin Klippenberger.

Keine Reinigungskolonne, sondern ein Unwetter zerstörte 2007 bei der Documenta einen zwölf Meter hohen Turm des chinesischen Künstlers Ai Weiwei aus alten Türen und Fenstern. Der nahm es damals allerdings ganz entspannt und stellte fest: „Das ist besser als vorher.“