Die Feuerwehr übernimmt vielfältige Aufgaben – und fürchtet jetzt um ihre Attraktivität für Ehrenamtliche Foto: Leif Piechowski

Der Großteil der Feuerwehrarbeit im Südwesten wird von Ehrenamtlichen verrichtet. Doch die lassen sich immer schwerer gewinnen. Der Verband hat deshalb ein Strategiepapier verfasst – und nimmt darin Land, Kreise und Gemeinden in die Verantwortung.

Stuttgart - Manches im Leben scheint völlig selbstverständlich. Zum Beispiel die örtliche Feuerwehr. Wann immer es irgendwo brennt, sind die Retter binnen kurzer Zeit zur Stelle. Zumindest noch. Denn in der lange heilen Feuerwehrwelt schwelt die Sorge. Bevor die sich zum Flächenbrand ausweitet, „muss sich etwas ändern“, sagt Frank Knödler, Chef der Stuttgarter Feuerwehr und Präsident des Landesfeuerwehrverbandes Baden-Württemberg.

Mehr als 98 Prozent der rund 110 000 aktiven Feuerwehrleute im Land sind Ehrenamtliche. Und die stehen nicht mehr Schlange. „Wir müssen enorme Anstrengungen unternehmen, um den Personalstand zu halten“, sagt Knödler. Das liege zum einen am demografischen Wandel, durch den immer häufiger ältere Kollegen nicht mehr durch jüngere ersetzt werden können. Aber auch Ganztagsschulen oder die hohe berufliche Flexibilität vieler Menschen machen die Lage kritisch. „Es wird immer schwieriger, bei den freiwilligen Feuerwehren tagsüber genug Leute für einen Einsatz verfügbar zu haben. Das gilt für Stuttgart genauso wie für den Hochschwarzwald“, so Knödler.

Anderswo lassen sich die Auswirkungen bereits beobachten. „Besonders in strukturschwachen Gebieten, in denen die Leute zur Arbeit weit pendeln müssen, findet man tagsüber kaum noch jemanden, der den Brandschutz gewährleistet“, sagt Silvia Darmstädter vom Deutschen Feuerwehrverband in Berlin. In Mecklenburg-Vorpommern etwa müsse man bereits Feuerwehren zusammenlegen, was längere Wege bedeute. Man müsse deshalb an neue Zielgruppen herantreten, aber auch die Politik auffordern, das Ehrenamt attraktiver zu gestalten.

Der Landesverband hat deshalb ein Strategiepapier für die Zukunftssicherung verfasst. In den vergangenen Tagen ist es ans Innenministerium, an Städte-, Gemeinde- und Landkreistag verschickt worden. „Es geht um die Stabilisierung des heutigen Hilfesystems“, sagt Knödler. Das sei eigentlich Aufgabe der Gemeinden, die durch den Einsatz der Ehrenamtlichen viel Geld sparten. „Man muss viel mehr tun als früher“, fordert er.

Das Papier beleuchtet auf 24 Seiten die Situation und erhebt Forderungen an Land, Kreise und Kommunen. Es geht zum einen um finanzielle Fragen. Welche Aufwandsentschädigung bekommen Ehrenamtliche, wie kann man ihnen die Aufgabe schmackhaft machen? Knödler nennt ein Beispiel: „Wenn eine Gemeinde will, dass das Feuerwehrauto fährt, muss sie auch den Führerschein dafür bezahlen.“ Doch der Verband will auch eine bessere Fortbildung, eine Entlastung bei Verwaltungsaufgaben oder eine bessere Ausrüstung. Selbst Bevorzugungen für Angehörige der freiwilligen Feuerwehr bei der Suche nach Grundstücken oder einem Kita-Platz kann der Verband sich vorstellen. „Man muss mit jeder Gemeinde aushandeln, was möglich ist“, sagt Knödler.

In Stuttgart hat der Gemeinderat zuletzt nach zwölf Jahren den Satz der Aufwandsentschädigungen angehoben. Knödler sieht die Feuerwehr in der Landeshauptstadt noch gut aufgestellt. Enorme Herausforderungen gibt es aber auch hier. Der Neubau der Feuerwache 5 auf dem Möhringer Hansa-Areal soll die Stadt 26,5 Millionen Euro kosten. „Der Architektenwettbewerb beginnt im Februar. Wir hoffen, dass er bis zum Sommer abgeschlossen ist“, sagt Knödler. Für Sanierungsarbeiten an den Wachen 1 bis 4 veranschlagt er in den nächsten Jahren weitere 25 bis 30 Millionen Euro. Immerhin: Bei den freiwilligen Wehren stehen nur noch ein Neubau in Stammheim und eine Erweiterung in Münster an. „Dann sind wir zum ersten Mal nach dem Krieg mit allen 24 Liegenschaften komplett durch“, so Knödler.

„Die Feuerwehr ist nach wie vor eine tolle Marke und für viele Menschen ein Traum“, sagt Verbandssprecherin Darmstädter. Doch ein Selbstläufer ist sie nicht mehr. „Wir haben jetzt die politische Diskussion eröffnet und brauchen eine breite Debatte“, sagt Knödler. Damit die Retter auch in Zukunft noch allerorten ganz selbstverständlich kommen, wenn es brennt.

Hintergrund

Retter in Stadt und Land

In Stuttgart sind rund 400 Mitarbeiter im Einsatzdienst der Berufsfeuerwehr tätig. Dazu kommen etwa 1100 aktive Angehö- rige der freiwilligen Feuerwehren sowie 400 Mitglieder der Jugendfeuerwehren.

In Baden-Württemberg liegt die Zahl der aktiven Feuerwehrleute seit Jahren bei rund 110 000, in der Tendenz ist sie leicht sinkend. Nur 2000 davon gehören der Berufsfeuerwehr an, alle anderen arbeiten ehrenamtlich. Zu den Werkfeuerwehren zählen 5900 Leute. (jbo)

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