Vor dem Landgericht Stuttgart beginnt ein Prozess gegen vier mutmaßliche Neonazis Foto: dpa

Das Stuttgarter Landgericht steht vor seinem nächsten Mammutprozess. Von Donnerstag an müssen sich vor der 18. Staatsschutzkammer vier 22 bis 38 Jahre alte Männern verantworten, die zu den Autonomen Nationalisten (AN) Göppingen gehört haben sollen.

STUTTGART/GÖPPINGEN - Das Stuttgarter Landgericht steht vor seinem nächsten Mammutprozess. Von Donnerstag an müssen sich vor der 18. Staatsschutzkammer vier 22 bis 38 Jahre alte Männern verantworten, die zu den Autonomen Nationalisten (AN) Göppingen gehört haben sollen. Die Staatsanwaltschaft wirft den mutmaßlichen Neonazis die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vor.

Erst Mitte Dezember vorigen Jahres hatte der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall (SPD) die rechtsextreme Gruppierung verboten. „Wir dulden in Baden-Württemberg keine rechtsextremistischen Vereinigungen, die im Programm und im Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweisen“, so der Minister am 18. Dezember. Zuletzt hatte Baden-Württemberg 1993 eine rechte Gruppierung verboten, die Heimattreue Vereinigung Deutschlands.

Mit Straftaten und Demonstrationen hatten die AN Göppingen für Unruhe gesorgt. Rund 20 Mitglieder soll der Verein gehabt haben, der 2009 gegründet worden war. Auf Veranstaltungen und im Internet hatten die Nationalisten zum „freien, nationalen Widerstand“ aufgerufen. Im Februar 2014 ließ das Landeskriminalamt (LKA) 19 Wohnungen in den Landkreisen Göppingen, Esslingen und Rems-Murr durchsuchen. Vier Verdächtige wurden festgenommen. Zwei davon sind inzwischen wieder auf freiem Fuß.

Für das Mammutverfahren hat das Landgericht Stuttgart knapp 100 Verhandlungstage bis in den Januar 2016 angesetzt. Den vier Angeklagten werden rund 40 Einzeltaten vorgeworfen.

Die Männer wohnten zum Zeitpunkt ihrer Festnahme in Göppingen, Eislingen, Uhingen und im Kreis Esslingen. Der 22-Jährige ist der frühere Landesvorsitzende der Parte „Die Rechte“, Daniel R. Er soll die Partei im April vorigen Jahres verlassen haben. Auf einschlägigen Internetseiten wird der 22-Jährige inzwischen als Verräter benannt. Er habe seine ehemaligen braunen Genossen belastet und sei in einem staatlichen Aussteigerprogramm untergekommen, heißt es.

Daniel R. hatte sich in der Vergangenheit als Organisator von Neonazi-Demos in Göppingen hervorgetan. Konkret werden den Burschen das Verwenden von verfassungswidrigen Kennzeichen, Sachbeschädigungen, Verstöße gegen das Versammlung- und das Waffengesetz, Volksverhetzung und Beleidigungen vorgeworfen.

Bei den Durchsuchungen stellte die Polizei „umfangreiches Propagandamaterial“ sicher: Sprühschablonen und NS-Devotionalien, Schreckschusspistolen, Teleskopschlagstöcke, Schlagringe, Wurfsterne und Quarzhandschuhe.

Den Autonomen Nationalisten wird unter anderem ein Überfall auf einen Infostand des Vereins Kreis Göppingen nazifrei vorgeworfen. Im März 2013 hatten sie den Stand in der Göppinger Fußgängerzone attackiert. Es gab Verletzte. Ein weiterer Vorfall aus dem Juni 2012 hätte im vergangenen Jahr eigentlich vor dem Amtsgericht Geislingen verhandelt werden sollen. Daniel R. soll mit einem Gesinnungsgenossen im Juni 2012 einen 16-jährigen aus dem Kreis der Antifaschisten mit Tritten eingedeckt und verletzt haben. Der Angeklagte meldete sich allerdings krank, der Prozess platzte.

Am Landgericht werden zwei Verteidiger auftreten, die gemeinhin der rechten Szene zugerechnet werden: Steffen Hammer und Andreas Wölfel. Hammer war einst Sänger der rechten Kapelle Noie Werte aus Stuttgart. 2010 wurde die Combo aufgelöst. Vergessen ist sie nicht. So unterlegte die Thüringer Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), die zehn Morde an Migranten begangen hat, Bekennervideos mit Noie-Werte-Songs. Der zweite im Bunde ist Anwalt Andreas Wölfel, ein ehemaliger NPD-Kader. Der Prozess am Donnerstag soll um 9 Uhr beginnen.