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An Rampe scheiden sich die Geister, Schmid kündigt noch mehr Kunst am Schlossplatz an.

Stuttgart - Ulrike Groos, die Chefin des Kunstmuseums, genießt diese Tage. Selten herrscht in der Stadt eine derartige Auseinandersetzung mit Kunst. Abgesehern vom jeweiligen Niveau der Beiträge – aber so viel Wahrnehmung hätte die Kuratorin wohl mit keiner noch so tollen Ausstellung bekommen. Doch seit die Diskussion entflammt ist, ob die Skulptur von Michel Majerus den Schlossplatz entstelle oder bereichere, ist Kunst ein Thema für alle. „Diese Debatte ist sehr fruchtbar“, sagt Ulrike Groos, „sie tut der ganzen Stadt gut.“

An der Rampe scheiden sich auch am Tag der feierlichen Eröffnung die Geister. Einer der kritischen Vertreter ist Edgar Kalenbach. „Ich bin gespalten“, sagt der 77-Jährige und lässt seinen Blick über die 42 Meter lange und 100 000 Euro teure Holz-Halfpipe schweifen: „Ich frage mich, ob das Ganze von den jungen Leuten überhaupt als Skulptur angenommen wird?“ Er vermutet, dass die Jugendlichen es lediglich als „Fun-Meile“ betrachten – und nicht als Kunstwerk.

Nicht jedem gefällt die Rampe auf dem Schlossplatz

Für den Senior Peter Schulz ist das Stichwort Kunst gleichzeitig ein Reizwort. „Unter dem Deckmantel der Kunst erlaubt man sich heutzutage einfach alles“, blafft er, „so ein hässlicher Apparat – das hat ja zerstörerische Kraft auf dem Schlossplatz.“ Schulz fragt sich kopfschüttelnd: „Warum sind die damit nicht auf den Wasen gegangen?“

Wenig später erfährt Peter Schulz, warum der Wasen oder ein anderer Platz in Stuttgart für das Kunstmuseum nicht in Frage kam. In ihrer Eröffnungsrede verdeutlichte Ulrike Groos die Notwendigkeit des Standortes Schlossplatz: Es geht um die gegenseitige Ausstrahlung zwischen dem Museum mit der aktuellen Majerus-Ausstellung und der Skulptur im öffentlichen Raum. „Genau das haben wir beabsichtigt. Wir wollen in den kommenden neun Wochen gezielt Publikum außerhalb des Museums ansprechen“, sagt Groos. Im Übrigen sei das auch die Absicht des 2002 bei einem Flugzeugabsturz gestorbenen Künstlers gewesen.

„Fuck the intens of the artist“

Der Luxemburger Michel Majerus, der auch in Stuttgart studierte, wollte nicht nur die Grenzen zwischen Alltag und Kunst aufbrechen. Er machte dies stets auch mit einem Augenzwingern. Die Fülle seiner Selbstironie spiegelt sich in den Sprüchen auf seiner Rampe wider:

„Fuck the intens of the artist“ – frei übersetzt: Zur Hölle mit den Absichten des Künstlers.

Oder: „Spart Energie, macht langsam Liebe!“

Und: „Das Betreten des Feldes der Mathematik heißt zu riskieren als „ich“ ausgelöscht zu werden.“

Man könnte auch sagen: Auf dem Feld der Kunst kommt man mit Erbsenzählerei nicht weiter. So sieht es auch Fabio Graziano (28), der kurz vor der Einweihung am Schlossplatz vorbeikommt : „Klasse Sache“, sagt er, „für die Jugend wird sowieso zu wenig getan.“

Es geht um das Erleben von Kunst

Axel Vetter (23) darf sich angesprochen fühlen. Er vertritt an diesem Tag als Mitarbeiter des Skateboard- und Snowboard-Magazins „Playboard“ die Szene. Vetter bedauert am Donnerstagnachmittag nur eines: Dass er bis zum Freitag warten muss, ehe er mit seinem Board auf die Rampe darf. „Das Ding ist einfach saugeil“, sagt er, „und dass es auch noch mitten in der Stadt steht und supergut aussieht, ist auch genial.“ Aber für ihn und die Skatergemeinde geht es zudem um das Erleben von Kunst. Denn im Wortsinn wird Kunst hier er-fahrbar. Mit dem Skateboard, dem BMX-Rad oder mit Inline-Skatern. Und zwar für alle. Kunst sei so keine rein intellektuelle Sache, sondern mache Spaß.

Viel besser hätte es Ulrike Groos fast nicht sagen können. Aber als Expertin ergänzt sie dann doch: „Die 3-D-Bilder auf der Rampe zerschmelzen in der Bewegung für den Betrachter zu einem Bildermeer.“ Auch wenn der stellvertretende Ministerpräsident Nils Schmid (SPD) wohl kaum in diesen erfahrbaren Kunstgenuss kommt, in einem Punkt ist er sich sicher: „Das ist ein ganz wichtiger Tag für die Kunst in Stuttgart und ganz Baden-Württemberg. Damit senden wir auch ein Signal, dass Kunst hier vor Kommerz kommt.“ Für Schmid ist der Schloss-Platz auch in Zukunft „ein ideale Plattform“ für Kunst im öffentlichen Raum.

Ulrike Groos hat es mit Genugtuung und einem Lächeln vernommen.