Die Grundschüler lauschten gespannt den Märchengeschichten. Die Erzählerin Petra Weller hatte auch für den zu fernen Ländern passenden Rahmen gesorgt. Foto: Ursula Vollmer

Hänsel und Gretel, klar, die kennt man. Wer oder was aber ist Baba Jaga? Die Kinder, die zur Märchenstunde in die Grundschule Heumaden gekommen sind, wissen es jetzt.

Heumaden - Wer meint, Rumpelstilzchen stehe heutzutage ebenso auf verlorenem Posten wie Hänsel und Gretel im finsteren Wald, der irrt. Im Musiksaal der Grund- und Werkrealschule Heumaden jedenfalls purzelten die Bewohner sämtlicher Feenschlösser und Zauberwälder munter durcheinander: Die Frage nach bekannten Märchen beantworteten die Jungen und Mädchen am Freitagnachmittag mit links. Wer aber ist Baba Jaga? Und was hat es mit der Königstochter in der Flammenburg jenseits des großen Meeres auf sich? Gespannt lauschten mehr als 40 Erst- und Zweitklässler den Geschichten, die Petra Weller für sie ausgesucht hatte.

Viele Anmeldungen

Die Erzählerin war vom Förderverein der Schule zur „Märchenstunde“ eingeladen worden – ein Experiment mit überraschendem Ergebnis, wie Sabine Lindner-Hoffmann berichtete. Gemeinsam mit Ulrike Fischer kümmert sie sich in einem Organisationsteam des Fördervereins zweimal jährlich um ein Schmöker-Angebot. Manchmal kommt dazu ein Buchautor ins Haus, manchmal stellen die Frauen ein eigenes Vorleseprogramm auf die Beine, oder eine ganz neue Idee entsteht.

„Wir wussten selbst nicht so genau, wie das Thema Märchen ankommen würde“, gestand Sabine Lindner-Hoffmann, die sich umso mehr über das Echo freute. Die Grundschulkinder hatten sich so zahlreich angemeldet, dass die Erzählerin eine zweite Schicht einlegen musste. Auf die beiden ersten Klassen folgten daher die Dritt- und Viertklässler – eine Spur cooler vielleicht, aber nicht weniger neugierig.

Für den passenden Rahmen war gesorgt. Kerzen in großen Laternen, ein silbern klingendes Glöckchen, geheimnisvolle Stoffsäckchen, in die vorsichtig hinein gelugt werden durfte. Natürlich saß im ersten Beutel eine Kröte, sie war schließlich die Heldin der Auftaktgeschichte. Petra Weller hatte sich bewusst für ferne Herkunftsländer entschieden: für Südkorea etwa, Burma, Georgien oder das Baskenland. Das Verbindende auch zur deutschen Sammlung der Brüder Grimm liegt für die Erzählerin in der Reduzierung auf eine einfach-symbolhafte Sprache. „Das Schöne am Märchen ist: Probleme werden in klare Bilder gefasst, die greifbar sind“, sagte Petra Weller, „und außerdem: Volksmärchen gehen gut aus.“ Natürlich erlebten Kinder Ängste – im Märchen werde der Schrecken gebannt, so die Expertin, die mit ihrer Kunst allerdings „nicht zu sehr psychologisieren, sondern einfach unterhalten“ will.

Märchenerzählerin im Nebenberuf

Im wirklichen Leben ist Petra Weller Sozialpädagogin. Ihre märchenhafte Komponente entdeckte die 53-Jährige vor fünf Jahren, als sie ein Wochenende lang in den Stuttgarter Märchenkreis hineinschnupperte. Nach dem Kurs war klar: „Das will ich auch können.“ Weitere Workshops bei der Europäischen Märchengesellschaft folgten, und seit zwei Jahren erzählt die Aspergerin nebenberuflich für Jung und Älter, drinnen und draußen, in Kindergärten und Altenheimen.

Erwachsene erlebe sie als äußerst interessiertes Publikum, sagte Petra Weller, die sich den Zauber für alle Altersgruppen gut erklären kann. Beim Zuhören werde eine Geschichte mit eigenen Bildern angereichert und so viel intensiver erfahren als im Vorbeirauschen der anderen Medien.

In die Märchenwelt ließ sich am Freitag auch Petra Fix entführen, die als neue Schulleiterin in Heumaden zuständig ist für 290 Schüler inklusive dreier Vorbereitungsklassen für Flüchtlingskinder. Sie sei außerordentlich dankbar für die Arbeit des rührigen Fördervereins, betonte die Rektorin.

Beachtliches Pensum

In der Tat stemmen die Unterstützer ein beachtliches Pensum. Dazu gehört die Räderbörse, ein Kinderflohmarkt, das Kuchenbüfett zur Einschulungsfeier – und jede Menge Engagement. „Über Verstärkung in den einzelnen Organisationsteams würden wir uns sehr freuen“, sagen die Aktiven und hoffen auf ein paar weitere helfende Hände.

Wer weiß: Immer wieder gehen Wünsche in Erfüllung. Als wichtigste Botschaft aber haben Kinder und Erwachsene am Freitag mit nach Hause genommen, dass allen Widrigkeiten zum Trotz das Leben gelingen kann.