Seltsame Halbbrüder: Mads Mikkelsen, Nicolas Bro, Anders Thomas Jensen und Soren Malling in „Men & Chicken“ Foto: DCM

Mads Mikkelsen ist Dänemarks erfolgreichster Schauspieler. Nun hat er mit seinem langjährigen Weggefährten Anders Thomas Jensen eine zutiefst schwarze Komödie gedreht.

Herr Mikkelsen, müssen Sie noch überlegen, wenn Ihnen Anders Thomas Jensen ein neues Filmprojekt vorschlägt?
Ich muss das Drehbuch gar nicht erst lesen. Ich vertraue ihm. Selbst wenn wir anfangs mal unterschiedlicher Meinung sein sollten, so weiß ich doch, dass er es hinbiegt und wir am Ende eine Lösung finden, die alle befriedigt. Die Welten, die er in seinen eigenen Filmen schafft, sind sehr speziell. Sie sind magisch, poetisch, verrückt.
Wie unterscheidet sich seine Arbeitsweise von der anderer prominenter Kollegen wie Susanne Bier oder Nicolas Winding Refn?
Das ist schwer zu vergleichen, jeder hat seinen Arbeitsstil. Generell kann man sagen, dass Filme in Dänemark in Kooperation entstehen. Wir hören einander zu, wir bringen Ideen ein und arbeiten gemeinsam am Buch. Jeder Filmemacher lässt seinen Schauspielern Raum. Anders Thomas hat von Beginn an eine genaue Vorstellung davon, wie sich die Geschichte anfühlen soll. Und er weiß, dass wir auf einer Wellenlänge sind, deshalb muss man nicht allzu viel diskutieren. Aber wir setzen uns zwei bis vier Wochen im Vorfeld zusammen, erarbeiten die Charaktere und die Reise, auf die sie gehen. Daher sind wir am ersten Drehtag sicher, dass wir alle am selben Strang ziehen.
Wie war es, sich zum ersten Mal in der Maske von „Men & Chicken“ zu sehen?
Wir haben Verschiedenes ausprobiert. Eine Variante war gut aussehend, wie eine ältere Version von Joaquin Phoenix. Das fand ich nett, aber wir mussten diesen Gesamteindruck verderben, damit es interessant wird. Das Resultat ist dann nicht mehr so attraktiv.
Haben Sie den Bart vorgeschlagen?
Und die Locken. Ich habe mir einen Look vorgestellt, den man bei mir noch nie zuvor gesehen hat. Ein Lockenkopf ist eng mit den Eitelkeiten der 1980er verbunden. Der Schnurrbart kam ins Spiel, weil dieser Mann etwas verbergen möchte. Was ihm aber nicht gelingt. Meine Kinder mögen den Film und finden ihn sehr lustig. Aber als ich den Bart und die Haare auch zu Hause trug, wollten sie sich nicht unbedingt mit mir sehen lassen.
Sie haben im brandenburgischen Beelitz-Heilstätten gedreht. Wie war es dort?
Es war der perfekte Ort für unseren Film. Die Gebäude sind in völlig unterschiedlichem Zustand. Manche sind perfekt saniert, in anderen wachsen Bäume durch die Dächer. Wir haben so etwas nicht in Dänemark.
Gibt es etwas an den Deutschen, das Sie nicht verstehen können?
Nein. Man kann Menschen nicht über einen Kamm scheren. Ich persönlich bin in Deutschland nur auf große Höflichkeit und Gastfreundschaft getroffen.
Was halten Sie von der Genforschung, die im Film eine Rolle spielt?
Das ist eine bedeutende, ethische Frage. Man kann jede große Erfindung dazu nutzen, etwas Schönes zu schaffen – oder sie für schrecklich hässliche Zwecke missbrauchen. Wenn etwas erst einmal Realität ist, kann man es nicht wieder ungeschehen machen. Man kann noch so viele Regeln aufstellen, es wird sich immer jemand finden, der in seinem Labor das Unvorstellbare tut.
In „Men & Chicken“ schwingt das Thema Sodomie mit – stimmt es, dass Sodomie in Dänemark nicht illegal ist?
Sie wurde vor einem Monat verboten. Vorher war sie erlaubt, solange das Tier nicht leiden muss. Oder eine ähnlich verrückte Formulierung. Dann hat sich herausgestellt, dass sich ein Dänemark-Tourismus für Leute mit diesem speziellen Bedürfnis entwickelt hat. Unser Film hat das Thema in den Mittelpunkt gerückt, und offensichtlich sah man sich genötigt, neue Regeln aufzustellen. Also hat der Film etwas bewirkt.
Wie haben Sie die Schauspielerei entdeckt?
Sie war nie mein Kindheitstraum. Ich bin als Tänzer in meine Karriere gestartet. Die Dramatik des Tanzes war mir dabei immer wichtiger als seine bloße Ästhetik. Deshalb fragte ich mich irgendwann, ob ich nicht an einer Schauspielschule besser aufgehoben wäre.