Solofo Marc Randriamasy befürchtet, dass er sein Land und sein Heim und damit seine Existenzgrundlage verliert. Foto: Misereor/Florian Kopp

In Madagaskar werden Bauern vertrieben und um ihre Heimat gebracht. Ihre Gegner – die Regierung und internationale Konzerne – erscheinen als übermächtig. Doch der Widerstand der Bevölkerung wächst.

Antananarivo - Die Verzweiflung kommt wie aus heiterem Himmel: Als Solofo Marc Randriamasy auf den unscheinbaren, braunen Grenzstein zeigt, ist es um seine Fassung geschehen: Er schlägt die Hände vors Gesicht und beginnt zu klagen. Der schmächtige Mann steht mit seinem rot-weißen Ringel-T-Shirt und der Kappe, die ihn vor der gleißenden Sonne schützen soll, am Rande des kleinen Ortes Tsinjoarivo mitten im zentralen Hochland Madagaskars. „Ich fürchte mich vor der Zukunft, ich habe Angst, meine Felder, mein Haus, meine Existenz zu verlieren“, sagt der 35-jährige Vater zweier kleiner Töchter angesichts der steinernen Markierung. Das Gebiet dahinter, wo Randriamasys Felder und sein Heim liegen, wolle die Firma Bionexx wohl demnächst bebauen. „Dann verliere ich alles“, sagt Randriamasy.

Der Bauer, der Reis, Kartoffeln, Maniok, Mais und Bohnen erntet, spricht aus Erfahrung. Schon seit sechs Jahren wehrt sich seine Dorfgemeinschaft vergeblich gegen die Landnahme durch die fremde Firma. Im Tal sieht Randriamasy grün leuchtende Felder. Auf denen wächst die Heilpflanze Artemisia, die Bionexx für den Export anbaut. Dass dieses Kraut für ein Mittel zur Behandlung von Malaria genutzt wird, das die Bauern des Ortes sich wohl nie werden leisten können, weiß er nicht. Er weiß nur, dass das Militär dem neuen Pächter half, dass die Einheimischen weichen mussten, dass einige – auch er selbst – wegen ihrer Proteste verhaftet wurden und dass die Dorfgemeinschaft schon jetzt mit weniger Mitteln auskommen muss. „Früher hatten wir genug, um noch etwas zu verkaufen, jetzt reicht es gerade, um durchzukommen“, erzählt der Sprecher der kleinen Gemeinschaft, Pierre Razanudrahona.

Die Firma Bionexx sieht die Justiz auf ihrer Seite

An diesem sonnigen Morgen sind sie alle gekommen, um die Geschichte ihres Widerstandes zu erzählen. Sie belagern eine braune Stele, manche sitzen gar auf der Spitze dieses skurrilen Denkmals. Es erinnert an den einzigen Besuch eines hochrangigen Regierungsvertreters. Die Sozialministerin habe sie vor einigen Jahren unterstützen wollen, erzählen die Bauern. Doch heute kann die Politikerin ihnen nicht mehr helfen. Sie ist tot, umgekommen unter merkwürdigen Umständen bei einem Bootsunglück. Alle anderen Passagiere haben sich retten können. Kein Wunder, dass die Einheimischen Verschwörung und Korruption wittern. Madagaskar gilt als Staat, den eine bestechliche Elite jahrzehntelang ausgebeutet und zu einem der ärmsten Länder weltweit heruntergewirtschaftet hat.

„Das ist das Land unserer Ahnen. Meine Familie hat hier seit Generationen gelebt“, sagt der 80-jährige Ravaivoson. Er schüttelt verständnislos den Kopf darüber, dass diese Tradition nichts zählen soll. Moralisch mögen die Bauern nämlich im Recht sein, juristisch ist die Sache weit heikler in einem Gebiet, wo es keine Grundbucheinträge gibt und der Staat große Ländereien beansprucht, unabhängig davon, wer dort seit Langem siedelt. Offenbar hat sich ein libysch-französisches Konsortium das Land gesichert und es an Bionexx verpachtet. Bionexx fühlt sich im Recht und hat die Justiz auf seiner Seite. Wenn der Chef der Firma, Charles Giblain, die Geschichte erzählt, klingt sie ganz anders: „Wir pachten das Land rechtmäßig und haben nichts mit dem Einsatz von Soldaten zu tun.“