Die SSB sind gut in Fahrt, aber das Unternehmten braucht neue Lenker Foto: Max Kovalenko

Sie kommt spät, aber vielleicht umso mächtiger: die Frauenpower bei der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB). Der Aufsichtsrat besetzt jetzt zwei Chefposten neu, und für jeden ist eine Frau im finalen Zweier-Vorschlag. Die Männerdomäne SSB wackelt, ob sie geschleift wird, ist aber offen.

Stuttgart - Anstelle von Reinhold Bauer und Jörn Meier-Berberich könnten im Lauf des Jahres 2015 auch zwei Frauen in den dreiköpfigen Vorstand der städtischen Verkehrsbetriebe SSB einziehen. Für jeden Posten gibt es einen Bewerber und eine Bewerberin. Wenigstens eine Frau müsste diesmal eigentlich zum Zuge kommen, meinen Beobachter. Vielleicht könnten sich auch beide Frauen durchsetzen – oder keine. Mit anderen Worten: Alles ist noch offen. Aber nie zuvor waren die Frauen so dicht dran, die Männerbastion SSB einzunehmen.

Wenigstens einen ersten Hinweis, wie es bei der Neubesetzung ausgeht, wird die Aufsichtsratssitzung liefern, die an diesem Dienstag bei der SSB stattfindet.

Für die Nachfolge von Personaldirektor Bauer sind der langjährige SSB-Betriebsratsvorsitzende Klaus Felsmann (54) und eine 56-jährige Bewerberin aus einem der neuen Bundesländer. Für den Posten des kaufmännischen Vorstands, bisher von Meier-Berberich bekleidet, kamen eine 48-jährige Bewerberin aus Baden-Württemberg und ein 47-jähriger Mitbewerber von einem privaten Nahverkehrsanbieter in die engere Wahl.

Mit Entscheidungen im ersten Wahlgang wird nicht gerechnet, denn dafür wäre eine Zweidrittel-Mehrheit von 14 der 20 Aufsichtsratsmitglieder erforderlich. Daher wird wohl ein neuer Termin anberaumt werden – noch im Dezember. Im zweiten und notfalls dritten Wahlgang kann man mit elf Stimmen gekürt werden. Beim dritten Durchgang zählt die Stimme des Aufsichtsratsvorsitzenden, Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne), doppelt. Die Vertreter der Anteilseignerin Stadt und der Belegschaft haben je zehn Stimmen.

Als Meier-Berberich 2010 gewählt wurde, war eine Frau nicht zur Auswahl gestanden. Diesmal wurden die Headhunter auch unter Frauen mit Führungserfahrung fündig.

Mit Spannung wird erwartet, ob der Betriebsratschef Felsmann sich durchsetzt. Dass es im ersten Wahlgang gelingen könnte, glaubt man auch in Felsmanns Umgebung nicht. Seine Konkurrentin gilt als überaus qualifiziert, hat einen Hochschulabschluss und einschlägige Erfahrung. Felsmann ist vom Busfahrer zum Betriebsratschef avanciert, nachdem er zuvor Koch gelernt hatte und Zeitsoldat gewesen waren. Für die Stelle, auf die er sich beworben hat, wird ein Hochschulabschluss aber nicht verlangt.

Was den anderen Posten angeht, werden die Aufsichtsratsmitglieder möglicherweise abwägen, ob es jemand aus einem öffentlichen Unternehmen sein soll oder ein Mitarbeiter eines privaten Anbieters von Bus- und Bahnverkehr.

Bei beiden Entscheidungen schwingt auch die Frage mit, wer wohl am ehesten geeignet ist, die SSB professionell und mit hoher Verantwortung zu lenken. Bis auf Weiteres steht dafür zwar noch der versierte Technik-Vorstand Wolfgang Arnold zur Verfügung, weil sein Vertrag verlängert wurde. Doch Ende 2018 läuft sein Kontrakt aus. Dann wird Arnold 68. Bis ein Nachfolger eingearbeitet ist, werden die anderen Vorstandsmitglieder erhöhte Verantwortung haben. Dotiert sind die Aufgaben in der Chefetage nicht schlecht. Reinhold Bauer hatte 2013 Bezüge von insgesamt rund 280 000 Euro. Jörn Meier-Berberich kam auf rund 260 000 Euro.

Anders als Bauer, der im Herbst 2015 geht, scheidet Meier-Berberich Ende 2014 nicht wegen des Erreichens der Altersgrenze aus, sondern vorzeitig „aus persönlichen Gründen“. Eine Verlängerung seines Vertrags hätte ihm der Aufsichtsrat auch nicht mehr bewilligt, heißt es in kommunalpolitischen Kreisen. Bei seinem Versuch, im öffentlichen Unternehmen SSB neue Führungs- und Marketingstrukturen einzuführen, hatte Meier-Berberich für Widerstände gesorgt. Auch Defizite in der Kommunikation wurden ihm im Unternehmen angekreidet.

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