Bei den 14. European Maccabi Games in Berlin kämpfen 2300 jüdische Athleten in 19 Disziplinen um Medaillen. Es geht bei diesem Ereignis um Sport, doch es steht noch viel mehr auf dem Spiel.

Stuttgart - Das Berliner Estrel Hotel gleicht in diesen Tagen einer internationalen Jugendherberge. Englisch, Ungarisch, Spanisch, Finnisch, Französisch und noch zig andere Sprachen sind zu hören. Ständig kommt eine Sportler-Delegation in grünen, roten oder gelben Trikots in die Lobby, während eine andere im Begriff ist zu gehen. Rund 2300 jüdische Sportler aus 36 Ländern (neben vielen europäischen Staaten auch aus den USA, Kanada, Südafrika und Argentinien) sind in dem Vier-Sterne-Hotel untergebracht: 70 Jahre nach dem Ende des Holocaust und des Nazi-Regimes ist Berlin Austragungsort der größten jüdischen Sportveranstaltung Europas.

An sich wäre es schon bedeutungsvoll genug, dass dieses Ereignis in Deutschland ausgetragen wird. Dass aber dazu noch ein Großteil der Wettkämpfe auf dem Berliner Olympiagelände stattfindet, setzt hinter die 14. European Maccabi Games ein dickes Ausrufezeichen. Denn es ist jenes Areal, das die Nationalsozialisten für die Olympischen Spiele 1936 herrichteten und für ihre riesige Propagandaschau nutzten. So ist die Makkabiade, wie die jüdischen Wettkämpfe auch genannt werden, an diesem geschichtsträchtigen Ort mehr als nur ein Sportereignis. „Es ist ein Zeichen für gelebte deutsch-jüdische Versöhnung“, sagte Oren Osterer, der Chef des Organisationskomitees. Und Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland, erklärte: „Es gab Bedenken, ob es richtig ist, die Spiele nach Berlin zu bringen, so lange es noch Überlebende des Holocaust gibt. Wir werden alle eines Besseren belehren. Das sind Spiele der Versöhnung.“

„Neues deutsch-jüdisches Selbstverständnis“

Keineswegs solle mit diesen Wettkämpfen im Olympiastadion der Holocaust zu den Akten gelegt werden, meinte Osterer. Aber es habe sich in den vergangenen 70 Jahren im Verhältnis zwischen Juden und Deutschen viel getan, ein „neues deutsch-jüdisches Selbstverständnis“ sei entstanden. Die Makkabiade ist für Osterer deshalb ein Ereignis von „wahnsinniger Symbolkraft“.

Die Politik sieht dies ähnlich – und zeigt Präsenz: Bei der Eröffnungsfeier am Dienstagabend in der Berliner Waldbühne sagte Bundespräsident Joachim Gauck: „Die Austragung dieser Spiele in Berlin ist ein wichtiges historisches Symbol. Ich bin sehr bewegt, dass dieses Land und diese Stadt nun die jüdischen Spiele sehen werden.“ Zuvor hatte Justizminister Heiko Maas auf dem Olympiagelände an einer Gedenkzeremonie für die Opfer des Holocaust teilgenommen. Verteidigungsministerin Ursula van der Leyen und Fußballnationalspieler Jérôme Boateng sind Paten der Makkabiade

Bei so viel Prominenz ließe sich leicht vergessen, was die Makkabiade in erster Linie ist: ein großes Sportfest und ein Zusammenkommen jüdischer Sportler. In 19 Sportarten kämpfen die Athleten, meist Amateure, bis zum 4. August um 166 Medaillensätze. Dabei reicht die Palette der Disziplinen von Basketball, Fechten, Volleyball, Hockey, Tennis und Fußball bis zu Dressurreiten, Bridge, Futsal, Schach oder Bowling. Aber nicht allen Sportlern geht es primär um den Wettkampf. Für viele ist diese Makkabiade auch ein soziales Ereignis. Zum Beispiel für Golfer Max Guggenheim (Schweiz). „Für mich ist es immer toll, andere Juden kennenzulernen“, sagte der 17-Jährige, „es interessiert mich zu erfahren, wie das Leben in anderen jüdischen Gemeinden abläuft.“ Und der 16-jährige Fußballer Matias Dryzun aus Argentinien meinte: „Es ist schön, Juden aus anderen Ländern mit ihren kulturellen Eigenarten kennenzulernen.“

Wichtiges Zeichen gegen bösartige antijüdische Stereotype

Mit ihrer Teilnahme an der Makkabiade in Berlin stellen sich die Sportler in eine lange Tradition. Bereits 1929 fand in Prag die erste Makkabiade als Treffen jüdischer Athleten statt. Ab Ende des 19. Jahrhunderts hatten sich in Europa zahlreiche jüdische Sportclubs gegründet, der erste 1895 in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul. Oft waren diese Vereinsgründungen eine Reaktion auf den um sich greifenden Antisemitismus. So schloss etwa Österreich 1901 alle Juden aus Turnvereinen aus. Die erste Makkabiade in Prag war so auch ein wichtiges Zeichen gegen bösartige antijüdische Stereotype, wie etwa das von der angeblichen körperlichen Minderwertigkeit von Juden.

Aber Antisemitismus ist nicht allein eine Sache der Vergangenheit. Um sich davon zu überzeugen, reicht in Berlin ein Schritt vor das Estrel Hotel. Um die Makkabiade zu schützen, stehen zahlreiche Polizisten an der Sonnenallee und beobachten die Umgebung. Ob Personal, Teilnehmer oder Journalisten: Jeder, der das Hotel betreten will, muss zunächst durch ein weißes Kontrollzelt mit Metalldetektor und geschultem Sicherheitspersonal. Und auch bei den Wettkämpfen sind zahlreiche Polizisten im Einsatz.

Alon Meyer, der Präsident des deutschen Makkabi-Verbandes, rät den Teilnehmern, sich nicht mit Kippa oder Davidstern in der Öffentlichkeit zu zeigen. Diese Vorsichtsmaßnahmen seien aber nicht Ausdruck eines in Berlin besonders starken Antisemitismus, meinte Meyer: In jeder europäischen Großstadt gebe es Situationen, in denen es nicht empfehlenswert sei, sich als Jude zu erkennen zu geben.

Über das genaue Sicherheitskonzept bei der Makkabiade machen weder die Organisatoren noch die Polizei nähere Angaben. Polizeisprecher Stefan Redlich räumte lediglich ein, dass die ergriffenen Maßnahmen umfangreicher seien als bei Veranstaltungen ähnlicher Größenordnung. „Uns ist die Bedrohungssituation für Juden bewusst“, sagte Redlich und betonte, dass die Polizei wie gewohnt auch während der Makkabiade die Sicherheit jüdischer Menschen und Einrichtungen gewährleiste. Je nach Tag und Veranstaltung seien zwischen 100 und 600 Polizisten im Einsatz. „Es sind alle Voraussetzungen geschaffen, damit die Spiele sicher ablaufen. Ich bin fest davon überzeugt, dass nichts geschieht“, erklärte Justizminister Heiko Maas, „aber so lange Polizisten vor jüdischen Schulen oder Synagogen stehen, hat sich das jüdische Leben in Deutschland nicht normalisiert.“