Bernhard Elser beim Luther-Slam im Waiblinger Kulturhaus Schwanen. Foto: Gottfried Stoppel

Beim ersten Poetry Slam im Kulturhaus Schwanen in Waiblingen wird Martin Luther gefeiert, gerügt und auf die Schippe genommen. Das Haus zeigt zudem die Ausstellung „Luther und die Juden“.

Waiblingen - Er hat unerschrocken Autoritäten in Frage gestellt und kritisiert, er hat seine Freiheit risikiert, sich mit Papst und Kaiser angelegt, und das Neue Testament ins Deutsche übersetzt, so dass jeder es verstehen konnte. Er hat gegen aufständische Bauern und gegen Hexen gehetzt, die Türken als „leibhaftige Teufel“ beschimpft und empfohlen, die Wohnstätten seiner jüdischen Mitmenschen zu zerstören und ihre Synagogen in Brand zu stecken: Martin Luther.

Demnächst jährt sich zum 500. Mal das Datum, an dem der streitbare Ex-Mönch seine kritischen Thesen wider den Ablasshandel und andere Auswüchse in der Kirche veröffentlicht hat. Erinnert wird an das Ereignis schon das ganze Jahr, nun auch im Kulturhaus Schwanen in Waiblingen – mit einem Poetry Slam „Sag den Luther/Sag’s dem Luther“ am vergangenen Freitagabend und einer Luther-Ausstellung, die bis zum 2. November läuft.

Timo Brunke und sieben Slammer

Letztere erzählt die Fakten über Luthers Leben, schildert seinen Werdegang vom Juristen in spe zum Mönch, zum sechsfachen Familienvater und Reformator – und thematisiert auch ausführlich seine Hetzkampagnen gegen Juden und all jene, die sich seiner Glaubenslehre nicht anschließen wollten. Seine Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ diente später beispielsweise dem nationalsozialistischen Hetzblatt „Der Stürmer“ als Leitmotiv.

Eine Lichtgestalt mit vielen Schattenseiten also – und so gab es beim Poetry Slam im Schwanen-Saal, den der Sprachkünstler und Dichter Timo Brunke aus Stuttgart moderierte, ganz unterschiedliche Töne von den sieben Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu hören, zu denen unter anderem ein Pfarrer, ein afghanischer Geflüchteter, eine Deutschlehrerin und eine Sozialarbeiterin gehörten. „Es braucht Menschen, die hören wie du hörtest, dass die Botschaft in unseren Tagen zu oft schon verdreht wird, dass längst nicht alles wahr ist, was heute unter Kanzeln gehört wird“ textete etwa der Waiblinger Pfarrer Bernhard Elser in den ihm zur Verfügung stehenden sechs Minuten Redezeit.

Demagogen und nationalistische Denkpagoden

Hella Kaupp nahm „den Top-Reformator, das zeitweise hetzende Sprachrohr“ strenger ins Gebet: „Dein Zorn legt noch 400 Jahre später ein Lauffeuer in die Köpfe der Demagogen und in ihre nationalistischen Denkpagoden und womöglich am Schluss in die brennenden Synagogen“, während Annemarie Piehler in „Lutherung“ gekonnt in lutherischem Duktus dessen Wandlung zum Mönch und Reformator beschrieb: „Und Luther flehte: Es werde so Gott will ein Mönch aus mir! Und er soll leben in einer Zelle, unfruchtbar, und soll sich nicht mehren, sondern beten und fasten, wenn, ja wenn er dieses Tohuwabohu überlebt.“ Der aus Afghanistan geflüchtete Sadik wiederum pries in seinem Beitrag die Religions- und Meinungsfreiheit in Deutschland. Und seine neue Lieblingsspeise: Maultaschen.

Als Ausgleich zu den vielen Worten lieferten die Pfarrerin Antje Fetzer, Vikarin Susanne Kreuser und der Pianist Stephan Lenz, alle stilecht mit Engelsflügeln ausgestattet, musikalische Töne. Ihr „Luther-Musical“ erzählte Luthers Leben im Schnelldurchlauf. „I will survive“ mutierte zu „Ich werde Mönch“ und selbst für des Reformators legendäre Verdauungsprobleme fand sich die passende Melodie: „Smoke in the bathroom“ frei nach Deep Purple.