Wie sauber ist der Diesel? Die Politik überprüft eine Nachrüstung von Diesel-Motoren. Foto: dpa-Zentralbild

Der Stuttgarter Vorstoß zur Verpflichtung der Autoindustrie wird von anderen Ländern wohlwollend geprüft. Auf der Verkehrsministerkonferenz in Hamburg wird ein Konsens gesucht.

Stuttgart - Als das baden-württembergische Verkehrsministerium im Herbst 2016 kurz vor einer Konferenz der Länderverkehrsminister einen Vorstoß zur Einführung der Blauen Plakette für schadstoffarme Autos machte, da hagelte es aus den anderen 15 Ländern – auch aus von der SPD regierten – vorab Absagen. Die Plakette scheiterte auf der Konferenz dann auch kläglich. Dem jüngsten Ruf von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) nach einer bundesgesetzlichen Grundlage für eine Nachrüstung älterer Diesel-Autos könnte hingegen ein besseres Schicksal beschieden sein. Bei einer Anfrage unserer Zeitung in den Verkehrsministerien der anderen Länder, was man von der Idee halte, war jedenfalls keine grundsätzliche Ablehnung im vorhinein zu hören.

Ein Erfolg für Hermann ist immerhin, dass die Donnerstag und Freitag in Hamburg tagende Verkehrsministerkonferenz sich mit dem Thema befassen wird. Das Gastgeberland wird hierzu einen Konsensantrag vorstellen, den eine Gruppe von Ländern in den letzten Tagen formuliert und abgestimmt hat, und der in Hamburg beraten und möglichst einstimmig verabschiedet werden soll. Geplant ist lediglich ein Appell an den Bund – keine Bundesratsinitiative.

Thüringen ist auf jeden Fall dabei

Zu den glasklaren Befürwortern der Hermannschen Idee gehört Thüringen, dessen Verkehrsministerin Birgit Keller (Linkspartei) „technische Nachbesserungen an zugelassenen Dieselfahrzeugen für deutlich wirkungsvoller“ als Fahrverbote hält. Die Nachrüstung dürfe aber „auf keinen Fall zu Lasten der Fahrzeughalter gehen“, die Autoindustrie solle ihrer Herstellerverantwortung nachkommen. Ähnlich positiv auch die Reaktion aus dem schwarz-grün regierten Hessen: „Die Stoßrichtung ist richtig“, heißt es in Wiesbaden. Aber zunächst müsse ermittelt werden, welches Schadstoffminderungspotenzial die Autohersteller mit der Nachrüstung haben. Auch dürften die Kosten nicht die Autobesitzer belasten.

Auch Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) teilt mit, dass er „im Grundsatz das Anliegen aus Baden-Württemberg teilt, Dieselmotoren so nachzurüsten, dass eine deutliche Redzuierung der Stickoxid-Emissionen erreicht wird“. Das Verkehrsministerium in Kiel erklärt, dass man sich technischer Lösungen nicht verschließe, „solange sie für den Verbraucher wirtschaftlich tragbar“ sind. Aus Bremen verlautet sogar, dass dem Senat der Hansestadt der Stuttgarter Vorstoß „nicht weit genug“ gehe, weil er die Blaue Plakette ausblende. In der Tat hatte Minister Hermann sein einstiges Lieblingsprojekt – die Blaue Plakette – diesmal unerwähnt gelassen, weil es selbst in SPD regierten Ländern „wie ein rotes Tuch“ gewirkt habe, so ein Ministeriumssprecher. In manchen Ländern – etwa Brandenburg – herrscht noch große Verstimmung über die neuen Erkenntnisse des Umweltbundesamtes, wonach selbst Diesel der Euro-6-Norm die Grenzwerte überschreiten. Man brauche erstmal „Aufklärung“, heißt es in Potsdam.

Große Skepsis gegenüber Fahrverboten

In anderen Ministerien wird offen Skepsis gegenüber Fahrverboten formuliert: „Wie soll denn ein Polizist ein Auto mit erhöhtem Stickoxid-Ausstoß herauswinken?“, fragt der Sprecher eines von der SPD regierten Ressorts. Das gäbe „Staus ohne Ende“.

Die meisten Bundesländer – etwa Sachsen-Anhalt, Sachsen und das Saarland – äußern sich zum Thema Nachrüstung abwartend, sie wollen die Tischvorlage auf der Konferenz prüfen. Bayerns Verkehrsminister Joachim Hermann (CSU) werde sich „erst im Rahmen der Verkehrsministerkonferenz dazu äußern“, heißt es in München. Auch Niedersachsen, das sich wegen VW auch als Autoland sieht, will abwarten. Macht aber einen eigenen Vorschlag zur Gründung eines Bundesinstituts, das einheitliche Standards für die Schadstoffmessungen aufstellt, Autohersteller, Verbände und Umweltorganisationen, so Minister Olaf Lies (SPD), sollten daran beteiligt sein.

Nur Mecklenburg-Vorpommern legt sich quer

Eine wohlwollende Prüfung der Stuttgarter Initiative zur Nachrüstung ist offenbar auf dem Wege – eine Ablehnung signalisiert nur Mecklenburg-Vorpommern. „Wir hören uns die Gründe an, sehen aber, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern das Problem drohender Fahrverbote aufgrund übermäßiger Feinstaubbelastung nicht haben“, sagt Minister Christian Pegel (SPD) in Schwerin: „Ich sehe das derzeit eher reserviert.“

Winfried Hermann geht bundesweit von einer Nachrüstung von fünf Millionen Diesel-Autos aus, die zwischen fünf bis zehn Milliarden Euro koste. Für die Kosten sieht der grüne Minister die Autobranche in der Pflicht, da ihre Produkte nicht hielten, was sie versprochen hätten. Denkbar sei ein Fonds, in den die Autoindustrie gemäß der Zahl der verkauften Diesel einzahle.