Umweltverbände kritisieren die Bundesregierung massiv, weil das Umweltministerium die geplante Einführung der blauen Plakette für schadstoffarme Fahrzeuge erst einmal ausgesetzt hat. Foto: dpa

Das Bundesumweltministerium hat Pläne für die Einführung einer blauen Plakette für schadstoffarme Autos vorerst auf Eis gelegt. Die Umweltverbände sind entsetzt, der VCD spricht sich für die Einführung genereller Fahrverbote an Tagen mit besonders hoher Luftbelastung aus.

Stuttgart - Nach dem vorläufigen Aus für die sogenannte blaue Plakette für schadstoffarme Fahrzeuge, die für 2017 vorgesehen war, üben der Verkehrsclub Deutschland (VCD) sowie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) massive Kritik an der Politik. BUND-Landesgeschäftsführerin Sylvia Pilarsky-Grosch erklärte, die Maßnahme sei unumgänglich, damit in Städten die Luft sauberer werde: „Das Aus für die blaue Plakette ist nicht nachvollziehbar. Tag für Tag wird die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger gefährdet. Nun sind die Kommunen gefordert, eine nachhaltige Mobilität zu fördern und für sauberere Luft zu sorgen“, so Pilarsky-Grosch.

Auch die Deutsche Umwelthilfe, die in der Landeshauptstadt mehrfach denhohen Stickoxid- und Feinstaubgehalt gemessen hatte, zeigte sich entsetzt. Die Bundesregierung beweise damit, dass sie „ein Herz für Stinker“ habe, so DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Obwohl das Umweltbundesamt seit Monaten Fahrverbote für Dieselfahrzeuge fordert, ignoriere Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) den Rat ihrer Fachbehörde. „Sie verzichtet einmal mehr auf einen Konflikt mit Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), dem Vertreter der Automobilindustrie im Bundeskabinett, und begräbt die von allen sechzehn Landesumweltministern für notwendig angesehene Plakette zur Aussperrung von Dieselstinkern,“ erklärte Resch.

„Das Problem wird weiter hinausgeschoben“

Das Konzept sah vor, dass in Großstädten wie Stuttgart innerhalb bestimmter Gebiete künftig nur noch Autos mit blauer Plakette fahren dürfen, die damit als besonders schadstoffarm gekennzeichnet werden. Das hätte auch den Druck auf die Automobilindustrie erhöht, sich künftig neben der Erforschung selbstfahrender Fahrzeuge vor allem auf die Produktion schadstoffarmer Abgastechniken zu konzentrieren. Dementsprechend verärgert reagierte auch der VCD-Landesvorsitzende Matthias Lieb auf die Nachricht aus Berlin: „Das Problem wird damit weiter hinausgeschoben.“

Lieb erinnerte daran, dass der Gesetzgeber im Grundgesetz das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Bürger garantiert habe. Mögliche rechtliche Probleme bei der Einführung der neuen Umweltzonen dürften dieses Recht nicht aushebeln. „Eigentlich müsste man erwarten, dass die Politik endlich verantwortlich handelt. Seit zehn Jahren werden in Stuttgart und andernorts die Grenzwerte beim Stickoxid deutlich überschritten“, so Lieb. Der VW-Abgasskandal habe gezeigt, dass man sich viel zu lange auf freiwillige Zusagen der Autohersteller verlassen habe. Wenn nun die Möglichkeiten zur Differenzierung von Schadstoffklassen ad acta gelegt würden, müsse man nun an Tagen mit besonders hoher Luftverschmutzung über generelle Fahrverbote diskutieren, forderte Lieb.