Nicht nur am Neckartor ist zu viel gesundheitsschädlicher Dreck in der Luft Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Die Zahl der von zu hohen Stickoxidwerten betroffenen Bürgern liegt im Ballungsraum Stuttgart 25 mal höher als von der Bundesregierung angegeben.

Stuttgart - Im Ballungsraum Stuttgart sind nicht 90, sondern 2320 Menschen von zu hohen Stickstoffdioxidwerten betroffen. Die gesetzlichen Grenzwerte werden nicht nur an der Messstation am Neckartor überschritten, sondern auch an der Hauptstätter Straße. An der Heilbronner Straße, der Schwabstraße und dem Kelterplatz in Zuffenhausen seine weitere Grenzwertüberschreitungen zu befürchten, sagt eine Sprecherin des Stuttgarter Verkehrsministeriums.

Das Bundes-Umweltministerium von Barbara Hendricks (SPD)hatte die Mini-Zahl von 90 Betroffenen vergangene Woche auf Anfrage der Grüne-Fraktion im Bundestag genannt. Das Ministerium hat dabei aber nicht die Zahl für den ganzen Ballungsraum Stuttgart, sondern nur für Freibeg am Neckar veröffentlicht.

Die Auto-Lobby übernahm die Zahl ungeprüft

Der Verband der Automobilindustrie in Deutschland (VDA) mit seinem Präsidenten und früheren Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann hatte die Zahl 90 ungeprüft übernommen und in einer Pressemitteilung das Schadstoffproblem heruntergespielt. In den von der EU-Kommission bemängelten Gebieten mit Grenzwertüberschreitungen seien „nur wenige Menschen tatsächlich betroffen, so etwa im Ballungsraum Stuttgart lediglich 90 Personen“, hieß es. Die Überschrift über er Meldung der VDA-Lobbyisten lautete: „Grüne Welle und mehr Euro-6-Autos sorgen für bessere Luftqualität.“

Die 90 statt 2320 Betroffenen brachten das Stuttgarter Verkehrsministerium von Winfried Hermann (Grüne) in die Kritik. Es hatte dem Bund Zahlen für eine Antwort an die EU-Kommission geliefert, die mit einer Klage droht. „1800 Betroffene in Stuttgart, 330 in Leonberg, 100 in Ludwigsburg, 90 in Freiberg, zusammen 2320“, sagt eine Sprecherin Hermanns. Hendricks Ministerium räumet am Montagabend den Fehler ein, man werde die Antwort auf die Grünen-Anfrage korrigieren. „Wir müssen uns fragen, welche Qualität die Antworten haben“, sagt der Filderstädter Grünen-Abgeordnete Matthias Gastel. Den mit der Zahl für den Ballungsraum muss auch die für den Regierungsbezirk Stuttgart (1680) falsch sein.

Neue Messungen bestätigen hohe Schadstoffwerte nicht nur am Neckartor

Das Verkehrsministerium hat die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz mit weiteren Schadstoffmessungen beauftragt. Überschreitungen gebe es nicht nur am Neckartor. Es ist durch die Grenzwertüberschreitungen beim Feinstaub bundesweit bekannt. „Die Ergebnisse bestätigten unsere bisherigen Kenntnisse, dass hohe Schadstoffbelastungen nicht nur an der Messstation Neckartor, sondern an weiteren, verkehrlich hoch belasteten Straßen auftreten“. Abseits der Hauptverkehrsstraßen sinke die Belastung unter die Grenzwerte.