Auswärtige, die nach Stuttgart fahren, bleiben von den geplanten Fahrverboten betroffen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Verkehrsminister Winfried Hermann hat den neuen Plan für bessere Luft in Stuttgart vorgestellt. In der Innenstadt kann weiterhin gefahren werden, nur auf Abschnitten von wichtigen Einfallstraßen nicht.

Stuttgart - Bisher waren die geplanten Fahrverbote zur Luftreinhaltung in Stuttgart auf den Talkessel und Feuerbach sowie Straßen in Zuffenhausen gemünzt. Das hat sich jetzt geändert. Im Entwurf des neuen Luftreinhalteplans Stuttgart, den Verkehrsminister Winfried Hermann und Regierungspräsident Wolfgang Reimer (beide Grüne) am Freitag vorstellten, sind Streckenabschnitte von Zufahrtsstraßen ins Visier genommen, die mehr am Rand des Talkessels liegen. Beispielsweise Teile der Rotenwaldstraße im Bezirk West oder die Jahnstraße beim Frauenkopf. Das hat auch etwas andere Folgen für die Autofahrer: Auswärtige, die nach Stuttgart fahren, bleiben betroffen. Innerstädtisch erscheinen jetzt Fahrten mit nicht ganz modernen Dieseln aber eher möglich zu sein. Das ist die Konsequenz aus rechtlichen Hürden bei der Ausweisung von Sperrungen und den zur Verfügung stehenden Verkehrszeichen.

Dass er diese Schwierigkeiten ausloten und überdies mit der Autoindustrie über die Nachrüstung von Dieseln verhandeln muss, die Fahrverbote vielleicht doch noch verhindern sollen, hat bei Hermann Unmut über Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) verursacht. „Eigentlich ist das Dobrindts Job, den ich hier mache“, sagte Hermann. Die Schilder, die von 2018 an Tagen mit Feinstaubalarm Diesel unterhalb der Euro-6-Norm stoppen sollen, seien „Dobrindt-Schilder“.

Der Entwurf

Präsentiert wurde ein Plan, den es so nicht geben würde, hätte der Bund den Weg zur Einführung einer Blauen Plakette für die umweltfreundlichsten Autos frei gemacht. Das wäre der Plan A. Dann könnten Fahrverbote für besonders feinstaub- und stickoxidträchtige Kfz in der ganzen Umweltzone Stuttgart eingeführt werden. So aber sieht der vorgestellte Plan B Verkehrsbeschränkungen an Tagen mit Feinstaubalarm für ein dürres Straßennetz vor – mit einer Kombination von Verkehrszeichen an Schildern, die das Bundesverwaltungsgericht möglicherweise nicht zulassen wird, wenn in einiger Zeit ein Grundsatzurteil dazu zu erwarten ist. Sollte das geschehen, werde man versuchen, mit derselben Schilderlösung im Bereich des Feinstaubbrennpunkts Neckartor und dem Umfeld an Tagen mit Feinstaubalarm Diesel unterhalb der Euro-6-Norm zu stoppen. Das wäre der Plan C. Der würde nötig, weil das Land in einem Vergleich vor dem Verwaltungsgericht klagenden Anwohnern zugesagt hat, den Verkehr dort an kritischen Tagen um 20 Prozent zu verringern.

Hermann und Reimer sind sich aber völlig sicher, dass Dobrindt und die Union nach der Bundestagswahl im September doch noch den Weg frei machen für die Blaue Plakette. Der Grund: Über 80 Städte in Deutschland würden mit überhöhten Stickstoffdioxidwerten kämpfen. Der Druck von diesen Städten und der Europäischen Kommission wachse. Mit der Blauen Plakette und Fahrverboten ab 2020 für Diesel unterhalb der Euro-6-Norm wären die Grenzwerte in Stuttgart stabil einzuhalten, sagte Reimer.

Spezialthema Fahrverbote

Hermann vollzog am Freitag nach, was Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und der Koalitionspartner CDU in den vergangenen Wochen mit ihm diskutiert hatten: Die Fahrverbote solle es nicht geben, sagte er, wenn es der Fahrzeugindustrie gelinge, die Diesel mit hohem Stickoxidausstoß in der Region so wirkungsvoll nachzurüsten, dass sie die Emissionsgrenzwerte einhalten. Ansonsten seien Beschränkungen für ältere Diesel im Sinne des Gesundheitsschutzes für die Einwohner unerlässlich – allerdings mit Ausnahmen für 20 Prozent der Kfz, darunter Lieferverkehr, Taxen, Wohnmobile, Linienbusse und in Härtefällen für Fahrzeuge von Schichtarbeitern. Die Vermeidung von Schadstoffen durch die Nachrüstung müsse zahlenmäßig mindestens so groß sein wie der Effekt, den die Fahrverbote bringen würden. Die Hersteller müssten aber technisch machbare und bezahlbare Lösungen zusichern.

Thema Nachrüstung

Hermann bestätigte, dass er mit dem Entwurf Druck auf die Autohersteller ausüben will. Diese hätten schließlich zu lang nachbesserungsbedürftige Produkte verkauft. Auf die Hersteller verwies er auch bei der Frage, ob das Land Nachrüstungen finanziell fördern würde, wenn sie machbar sind. Hermann rechnet mit sechs Millionen einschlägigen Fahrzeugen bundesweit und Kosten von fünf bis zehn Milliarden Euro. Das Thema Nachrüstung, sagte Hermann, werde parallel zum Verfahren für den Luftreinhalteplan betrieben.

Andere Maßnahmen

Die Fahrverbote sind nicht die einzigen geplanten Maßnahmen. Zum Paket gehören auch: der Ausbau und die Modernisierung des öffentlichen Nahverkehrs (Metropolexpresszüge, Shuttlebusse zwischen Cannstatter Wilhelmsplatz und Stuttgarter Zentrum, Taktverdichtung im S-Bahn-Verkehr), die weitere Förderung von nachhaltiger Mobilität (Elektrofahrzeuge oder andere modernere Antriebe bei Taxen und Linienbussen im Zentrum), der Ausbau des Radverkehrs, bessere Verkehrssteuerung, stellenweise Ergänzungen im Straßennetz, Geschwindigkeitsbegrenzungen und Betriebsverbote für Komfortkamine an kritischen Tagen. Das Instrument einer Nahverkehrsabgabe, die Autofahrer an den Kosten von Bussen und Bahnen beteiligen und ihnen im Gegenzug ein Ticket einbringen würde, war zwar auf Druck der CDU aus dem Entwurf gestrichen worden; Hermann bekräftigte aber: „Darüber muss man weiter diskutieren. Die derzeit verfügbaren Gelder reichen nicht aus für einen richtig großen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.“

Erste Reaktion

Die Deutsche Umwelthilfe kündigte an, sie wolle auf dem Rechtsweg einen besseren Luftreinhalteplan durchsetzen. Man müsse auch dreckige Euro-6-Diesel stoppen.