Für das Diesel-Fahrverbot hatte am Montag die Bürgerinitiative Neckartor zu einer Demonstration vor dem Staatsministerium aufgerufen. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Die Landesregierung wird gegen das Fahrverbots-Urteil für Stuttgart mit einer Sprungrervision zum Bundesverwaltungsgericht vorgehen. Damit ist das Urteil zunächst gehemmt.

Stuttgart - Die CDU in der Landesregierung mit Vize-Regierungschef Thomas Strobl und Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut haben im Streit um das Stuttgarter Fahrverbots-Urteil gegen die Grünen nachgegeben. Das Staatsministerium teilte am Montag mit, die Landesregierung werde gegen das Urteil vom 4. September vor dem Bundesverwaltungsgericht die Sprungrevision beantragen. Es ist damit bis zur Letztentscheidung gehemmt. Die CDU wollte in Berufung gehen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) als der vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart siegreiche Kläger hatte der Sprungrevision vorab bereits zugestimmt.

Die CDU mit Strobl, Hoffmeister-Kraut und Landtagsfraktionschef Wolfgang Reinhart hatte den Koalitionären mit ihrem Beharren auf die Berufung am Freitag eine mehr als dreistündige Krisensitzung im Staatsministerium beschert. Man ging uneinig auseinander, über das Wochenende glühten die Drähte. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz hatte dabei gegenüber Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) betont, dass die Fraktion maximal die Sprungrevision akzeptiere. Diese war auch von der CDU-Fraktion befürwortet worden, Priorität hatte aber die Berufung. „Wir haben unsere Ziele erreicht“, sagte Reinhart am Montag. „Wir wollen saubere Luft, keine Fahrverbote“, sagte Strobl.

Bisher nur eine Möglichkeit für Zonen

Strobls Sprecherin hatte am Freitag betont, dass Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffemissionen geplant seien. Diese hätten in einer Berufungsverhandlung gewichtet werden können. Die Berufung hätte aber auch ein schärferes Urteil bringen können, mit einem Fahrverbot für Euro-6-Diesel. Die DUH hatte angekündigt, darauf zu pochen, weil die Realwerte dieser Fahrzeuge ganz überwiegend weit über den Prüfstandswerten liegen.

Bei der Sprungrevision wird es nun nicht mehr um inhaltliche Fragen, sondern um Rechtsfragen gehen. Die zentrale ist, ob Städte wie vom Verwaltungsgericht Stuttgart gefordert, zur Luftreinhaltung eigene Schilder konzipieren, also Fahrverbote in Eigenregie verhängen dürfen. „Wir halten das auch selbst für juristisch fragwürdig“, so Kretschmann. In der Straßenverkehrsordnung (StVO) ist für Luftreinhalte-Zonen nur das Umweltzonen-Schild mit den farbigen Plaketten vorgesehen. In Stuttgart gilt die Grüne Plakette. Dennoch sind Feinstaub- und Stickstoffdioxid-Grenzwerte weit überschritten. Eine Blaue Plakette, mit der alle Diesel unter der Euronorm 5 und Benziner unter Euro 3 nicht mehr fahren dürften, hatte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) verweigert. Der Auto Club Europa forderte am Montag von der neuen Bundesregierung, den Kommunen mit der Blauen Plakette ein „ein effizientes Werkzeug im Kampf gegen Luftschadstoffe zu bieten“.

ACE fordert neue Plakette vom Bund

Die Bürgerinitiative Neckartor hatte am Montag mit rund 100 Demonstranten vor dem Staatsministerium die Annahme des Urteils und damit Fahrverbote zum 1. Januar 2018 gefordert. Die Demonstranten zogen dann zur Messstelle an der Hohenheimer Straße. Kretschmann wurde auf Plakaten mit dem Schnauzer von Daimler-Chef Dieter Zetsche und dem Text „Noch nie war Grün so schwarz“ gezeigt. Der in der Nähe des Neckartores wohnende Feinstaub-Kläger Manfred Niess sagte, die Landesregierung müsse den seit 2005 andauernden rechtswidrigen Zustand mit überschrittenen Grenzwerten beenden. Im Winter werde die Abgasreinigung wegen der so genannten Thermofenster nahezu eingestellt. Die Autohersteller müssten die Fahrzeuge auf ihre Kosten mit funktionierenden Systemen nachrüsten. Bisher, so Niess, gebe es bei Daimler nur einen sauberen Dieselmotor für die S- und E-Klasse, in andere Modelle würden Motoren eingebaut, die die Euro-6-Prüfstandswerte bis zum Achtfachen überschritten.

Seit 2005 gilt der Grenzwert von maximal 35 Tagen im Jahr mit mehr als 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft. Bis 12. September 2017 gab es bereits 39 Überschreitungstage.