Die Proteste gegen die Luftverschmutzung durch den Autoverkehr – hier im Dezember 2016 im Bereich Neckartor – reißen nicht ab. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die klagenden Anwohner des Neckartors wollen nicht lang auf die Blaue Plakette warten. Auch die SPD-Gemeinderatsfraktion übt Kritik am Kurs des Landes.

Stuttgart - Der Protest formiert sich: Weil die Landesregierung die grenzwertübersteigende Luftverschmutzung in Stuttgart offenbar nicht mit kurzfristigen drastischen Verkehrsbeschränkungen bekämpfen will, sind die Stuttgarter Feinstaubkläger und ihr Rechtsanwalt Roland Kugler wieder auf den Plan getreten. Die Kläger vom Neckartor haben das Land beziehungsweise das Regierungspräsidium Stuttgart jetzt zur unverzüglichen Umsetzung der Verpflichtungen aufgefordert, die das Land bei einem gerichtlichen Vergleich übernommen hatte. Außerdem warnten sie die Landesseite in einem Schreiben jetzt vor Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ab dem 1. September.

„Die Kläger würden es äußerst bedauern, wenn das Land erneut im Wege der Zwangsvollstreckung zur Einhaltung von Maßnahmen des Gesundheitsschutzes gezwungen werden müsste“, heißt es in einer Erklärung. Der Kurs der Regierung, die Luftverschmutzung mit einer blauen Umweltplakette für saubere Autos zu bekämpfen, reicht den Klägern nicht. Diese Plakette könne, wenn sie eines Tages überhaupt kommen sollte, nicht innerhalb weniger Monate eingeführt werden. Sie könne frühestens in einigen Jahren ihre Wirksamkeit entfalten und das bringen, was die grün-schwarze Landesregierung sich davon erwarte: dass nur noch Dieselfahrzeuge ab der Euronorm 6 auf Stuttgarts Straßen sind und nur noch Benziner ab der Euronorm 3.

Drohung mit der Zwangsvollstreckung

Die Zeit dränge aber: Seit dem 28. April 2016, als man vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart den Vergleich geschlossenen habe, seien schon wieder über neun Monate vergangen. Das RP müsse bis zum 31. August 2017 den Luftreinhalteplan Stuttgart fortschreiben. Spätestens zum 1. Januar 2018 müssten die im fortgeschriebenen Luftreinhalteplan aufgeführten Maßnahmen zur Schadstoffreduzierung der Stuttgarter Luft ergriffen werden. Noch sei nicht zu erkennen, wie in der kurzen Zeit das ehrgeizige Ziel erreicht werden soll, die Verkehrsmenge am Neckartor an Tagen des Feinstaubalarms um 20 Prozent zu verringern.

Auch von der SPD kam jetzt Kritik, nachdem unsere Zeitung über die Regierungspläne für den Luftreinhalteplan berichtet hatte. Mit dem bloßen Weiterreichen des Schwarzen Peters nach Berlin, wo Kanzlerin Angela Merkel doch noch die Blaue Plakette ermöglichen soll, werde die Luft in Stuttgart nicht besser, erklärte Martin Körner, Fraktionschef im Gemeinderat. Stuttgarts SPD befürworte wie die SPD-Bundesumweltministerin zwar auch die Blaue Plakette; noch wichtiger sei den Sozialdemokraten aber eine bessere Förderung des Nahverkehrs. Hier tue die Landesregierung viel zu wenig. Sie müsse mehr Geld bereitstellen für den Kauf neuer Straßenbahnen und für neue Busse. Das viele Geld, das zur Subventionierung von Feinstaubtickets ausgegeben werde, solle entweder in bessere Bus- und Bahnverbindungen oder in eine große Tarifreform mit niedrigeren Preisen für alle investiert werden.