An verkehrsreichen Stellen im Land hat auch im vergangenen Jahr die Luftqualität zu wünschen übrig gelassen. Foto: Lgt/Max Kovalenko

Dass Stuttgart ein Feinstaubproblem hat, ist bekannt. Doch auch im Rest von Baden-Württemberg sind die Werte vielerorts zu hoch, um als gesund zu gelten. Beim Stickstoffdioxid sieht es noch deutlich schlimmer aus.

Stuttgart - Etwas besser ist die Luft in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr zwar geworden, gut ist sie noch lange nicht. Das zeigen die vorläufigen Messdaten für die Belastung mit Feinstaub und Stickstoffdioxid (NO2). Die vom Umweltbundesamt (UBA) und der Landesanstalt für Umwelt (LUBW) erhobenen Daten wurden für diese Auswertung zusammengefasst. Sie umfassen die vorläufigen Messergebnisse für 2016 (meist Stand Mitte Dezember) sowie die validierten Messwerte für die Jahre 2011 bis 2015. Amtliche Werte für 2016 sollen bis Mitte Februar vorliegen.

Stickstoffdioxid und Feinstaub belasten die Umwelt, Feinstaub verursacht laut UBA bundesweit jährlich 45 000 vorzeitige Todesfälle. Klagen gegen behördlich erlassene Luftreinhaltepläne beschäftigen die Gerichte – nicht nur, aber auch wegen der Werte am Stuttgarter Neckartor.

Dort wurde auch 2016 für Feinstaub und Stickstoffdioxid die höchste Luftbelastung im Land gemessen. An mindestens 58 Tagen (Stand 20. Dezember) wurde dort der Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub (PM10) im Tagesmittel überschritten; erlaubt sind 35. Für das Restjahr kommt, unter anderem wegen Silvester, noch mindestens ein Überschreitungstag dazu. Auch beim Stickstoffdioxid waren die Messwerte 2016 in Stuttgart am höchsten: Am Neckartor wurden im Jahresschnitt 82, an der Hohenheimer Straße 76 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen – doppelt so viel wie das Gesetz erlaubt.

Zu viele Stickstoffdioxid in der Luft

Während die Belastung an den sogenannten Hintergrundmessstellen abseits der großen Straßen im vergangenen Jahr durchweg im erlaubten Bereich lag, wurde an zehn Messstellen im Land ein Jahresmittel jenseits des Grenzwerts von 40 Mikrogramm ermittelt. An 16 weiteren Stationen, für die noch keine Werte aus dem Jahr 2016 vorliegen, wurde der Grenzwert im Vorjahr gerissen, bei zwei weiteren 2014. Diese Messstellen liegen alle an verkehrsreichen Stellen, wo besonders Dieselmotoren die NO2-Konzentration nach oben treiben.

Die folgende Karte zeigt die aktuellsten Messwerte für Stickstoffdioxid in Baden-Württemberg. Klicken Sie auf eine Messstelle, um mehr zu erfahren!

Stickstoffdioxid ist aufgrund nicht eingehaltener Grenzwerte zurzeit ein größeres Problem als Feinstaub – in Stuttgart, aber beispielsweise auch in der Ledererstraße in Reutlingen und der Weinsberger Straße in Heilbronn, wo im vergangenen Jahr durchschnittlich 66 und 57 Mikrogramm NO2 gemessen wurden. In der Friedrichstraße in Ludwigsburg lagen die Werte bei 53, in der Schwarzwaldstraße in Freiburg bei 50 Mikrogramm, in der Mühlstraße in Tübingen bei 48 und in der Grabenstraße in Leonberg bei 47.

Vergleicht man das vorläufige Jahresmittel 2016 mit dem Schnitt der fünf Jahre davor, dann wird deutlich, wo die Stickstoffdioxid-Belastung in den vergangenen Jahren gesunken ist und wie stark. In Freiburg, Tübingen und Leonberg sank sie um 10 oder mehr Mikrogramm auf jetzt je um die 50 Mikrogramm. An besonders belasteten Stellen wie Reutlingen, Heilbronn oder Stuttgart ging sie weniger stark zurück, nämlich um fünf bis zehn Mikrogramm.

NO2 geht nur langsam zurück

Damit setzt sich jene „nur leichte Abnahme der NO2-Konzentrationen“ fort, von der die LUBW vor einiger Zeit auf ihrer Website berichtet hat. „Bei dieser Entwicklung ist davon auszugehen, dass die NO2-Konzentrationen an straßennahen Stationen weiterhin häufig über dem Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter liegen werden“, heißt es weiter. Es tröstet nur ein bisschen, dass der zweite Grenzwert – höchstens 18 Stundenmittel im Jahr von mehr als 200 Mikrogramm – absehbar fast überall im Land eingehalten wurde.

Bundesweit werde bei 99 Prozent aller Messstellen nie ein Stundenmittel von mehr als 200 Mikrogramm Stickstoffdioxid gemessen, berichtet ein Experte des Umweltbundesamts auf Nachfrage. Die Ausnahme ist auch hier das Neckartor, wo dieser Grenzwert nach den vorläufigen Zahlen an mindestens 35 Tagen überschritten wurde. An der Hohenheimer Straße war das 2016 mindestens zehn Mal der Fall.

Feinstaub: was erlaubt ist – und was gesund

Auch die Feinstaubbelastung am Neckartor war im vergangenen Jahr nicht gesetzeskonform – aber aller Voraussicht nach nur dort. In der Grabbrunnenstraße in Esslingen waren an mindestens 22 Tagen mehr als 50 Mikrogramm Feinstaub in der Luft, in Tübingen an der Messstelle Mühlstraße 21 Mal, in Reutlingen 20 Mal, in Markgröningen und am Arnulf-Klett-Platz in Stuttgart 18 Mal – erlaubt sind 35 Überschreitungstage. In diese Ergebnisse sind die Daten vom Dezember noch nicht alle eingerechnet – also der Zeitraum, in dem etwa in Stuttgart mehrfach Feinstaubalarm ausgerufen wurde. „Da können schon noch ein paar Überschreitungstage dazukommen“, sagt ein Experte der LUBW.

Tendenziell sinkt die Feinstaubbelastung im Land seit Jahren. Das gilt auch und besonders für das Jahresmittel: Der EU-Grenzwert von durchschnittlich 40 Mikrogramm wurde laut den vorläufigen Zahlen sogar am Neckartor eingehalten.

Für eine Entwarnung ist es dennoch zu früh – nicht nur in Stuttgart. Aus Sicht der Behörden, die Klagen gegen ihre Luftreinhaltepläne und Strafzahlungen an die EU befürchten, liegen die Feinstaubzahlen inzwischen zwar (fast) überall im grünen Bereich. Doch was erlaubt ist, muss nicht gesund sein. Legt man die strengeren Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zugrunde, ist die Luft in Baden-Württemberg weiterhin viel zu dreckig.

Das gilt vor allem für die langfristige Belastung. Aus Sicht der WHO sind für Menschen bis zu 20 Mikrogramm im Jahresmittel tragbar. Ursprünglich sollte dieser Grenzwert von 2010 an auch in der EU gelten, doch 2008 beschlossen das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedsstaaten, den alten und damit höheren Grenzwert beizubehalten.

Die folgende Karte zeigt die aktuellsten Messwerte für Feinstaub in Baden-Württemberg. Klicken Sie auf eine Messstelle, um mehr zu erfahren!

Laut den vorläufigen Ergebnissen wurden 2016 an elf Messstellen im Land mehr als die von der WHO empfohlenen 20 Mikrogramm Feinstaub gemessen, im Fünfjahresschnitt an fast dreißig. Die Problemstellen liegen wie beim NO2 durchweg an verkehrsreichen Orten: Betroffen sind etwa die Reinhold-Frank-Straße in Karlsruhe, die Stuttgarter Straße in Wendlingen oder die Beihinger Straße in Pleidelsheim.

„In Ballungsgebieten ist der Straßenverkehr die dominierende Staubquelle“, schreibt das Umweltbundesamt auf seiner Website und nennt etwa Motoren, Bremsen- und Reifenabrieb. Unabhängig von solchen Punkten gibt es immer eine Hintergrundbelastung, die in Städten und Vororten deutlich höher ist als auf dem Land.

Das dokumentieren auch die aktuellen Zahlen aus Baden-Württemberg: 2016 wurden tief im Schwarzwald (bei Schönau) sowie auf der Schwäbischen Alb (bei Erpfingen) zumindest aus Stuttgarter Sicht paradiesisch niedrige Stickstoffdioxid- und Feinstaubwerte gemessen – um die zehn Mikrogramm je Kubikmeter Luft.