Feiertag in Ludwigsburg: Adika Peter-McNeilly (Mi.) jubelt mit den Fans. Foto: Baumann

Basketball-Bundesligist MHP Riesen Ludwigsburg hat einen Lauf. Das liegt auch an Trainer John Patrick, der aus weitgehend unbekannten Spielern eine homogene Einheit geformt hat.

Ludwigsburg - Wer in Richtung Ludwigsburg fährt, kommt zwangsläufig an den Flaggen am Stadtrand vorbei, auf denen der Basketball-Bundesligist mit dem Slogan vertreten ist: „Gefürchtet und stolz.“ Nun ist es mit flotten Werbesprüchen so eine Sache, der Schuss kann nach hinten losgehen – in diesem Fall ist es ein Volltreffer. Am Dienstagabend jedenfalls feierten die Fans in der MHP-Arena ihre Mannschaft nach dem Sieg gegen Gaziantep, als hätten sie nicht nur ein Gruppenspiel gewonnnen, sondern bereits die Champions League (BCL).

Welch großes Wort, gelassen ausgesprochen. Wobei das nicht so vertraute Publikum wissen sollte, dass ein kleiner Etikettenschwindel dahinter steckt. Denn die wahre Königsdisziplin im Basketball heißt eben Euroleague, in der aktuell 16 Top-Teams versammelt sind, wie Real Madrid oder ZSKA Moskau, die mit Etats von 30 bis 40 Millionen Euro in der Saison operieren. Da kann Ludwigsburg mit seinen gut vier Millionen nicht ganz mithalten – sportlich schon. Wenn auch eine Etage tiefer. Die BCL kämpft mit dem Eurocup um den Titel „zweistärkster Wettbewerb in Europa“. Weil der Weltverband Fiba inzwischen den lukrativen Kuchen des Clubgeschäfts nicht mehr kampflos der privat organisierten Euroleague (mit Sitz in Barcelona) überlassen will, kam deren Verantwortlichen im Vorjahr die glorreiche Idee, eine Champions League ins Leben zu rufen. Mit der Begründung, dass in diesem Wettbewerb mehr Meister teilnehmen als bei den Euroleague-Wettbewerben. Das mag quantitativ noch stimmen, aber eben nicht qualitativ.

Wildcard hat Tortur zur Folge

Denn natürlich ist der Titelträger aus Österreich oder Dänemark sportlich anders einzustufen als der aus Spanien oder der Türkei. Aber das sind Diadochenkämpfe, bei denen noch immer kein Ende in Sicht ist. Nachdem die MHP Riesen in der BCL diesem Wettbewerb im Vorjahr nur 0,7 Sekunden gegen Banvit/Türkei gefehlt haben, um das Final-Four-Turnier zu erreichen, bekamen sie für diese Saison selbst als Bundesliga-Achter, der sportlich eigentlich nicht mehr qualifiziert gewesen wäre, zumindest noch eine Wildcard mit der Folge, dass sich das Team die Tortur von drei Qualifikationsrunden – mit sechs Spielen innerhalb von 13 Tagen – in Kauf nehmen musste, um sich in die Gruppenphase zu kämpfen.

Im Nachhinein kann man nun argumentieren, diese Spiele waren die beste Vorbereitung. Bisher läuft es wie am Schnürchen. Sowohl international (gegen Teneriffa) als auch national (gegen Gießen) stehen in 20 Spielen nur zwei Niederlagen zu Buche. Diese beeindruckende Bilanz schlägt sich auch nieder in der europäischen Clubrangliste, in der Ludwigsburg inzwischen auf Platz elf geführt wird – noch vor Meister Bamberg oder klangvollen Namen wie dem FC Barcelona. Doch selbst solche Meriten nötigen den Verantwortlichen eher ein müdes Lächeln ab. „Wir haben erst rund ein Viertel der Saison hinter uns, da kann noch viel passieren“, sagt etwa Trainer John Patrick, der Vater des Erfolgs, der die Mannschaft seit seiner Übernahme 2013 dreimal in die Play-offs geführt hat. „Die Mischung stimmt“, sagt der US-Amerikaner.

Auch Experten können sich täuschen

Was angesichts von zehn neuen Spielern so nicht unbedingt zu erwarten war. Selbst die Experten des Magazins „Basketball in Deutschland“ schrieben vor der Saison: „Das neue Team ist schwächer besetzt als das im Vorjahr. Sollte Patrick keine hochkarätigen Verpflichtungen mehr tätigen, verpassen die Riesen die Play-offs.“ Abwarten. Patrick hat wohl noch nie eine so homogene Truppe der Namenlosen zusammengestellt, die auch abseits des Feldes viel unternimmt. „Es gibt keine Grüppchenbildung“, sagt der Trainer. Der Star ist die Mannschaft. Neuzugang Thomas Walkup wird in der Bundesliga-Rangliste als bester Riese erst auf Platz 56 geführt wird.

Einen Rang vor Nationalspieler Johannes Thiemann, dem die EM-Teilnahme nochmals Sicherheit gegeben hat. Plötzlich wirft der Center sogar Dreier. Und den ungewöhnlichen und intensiven Spielstil – mit dem gefürchteten Pressing übers ganze Feld – haben alle schnell verinnerlicht. Zuletzt hatte Coach Jean-Denys vom französischen Meister Chalon deshalb ein flammendes Plädoyer pro Ludwigsburg abgelegt. „Da spielt jeder für jeden, das würde ich mir auch von meiner Mannschaft wünschen“, sagte er in der Pressekonferenz, so dass sein US-Profi Lance Harris wie ein Häufchen Elend daneben saß. „Wir haben individuell sicher bessere Spieler als Ludwigsburg. Ich hoffe, wir können daraus lernen, auf was es im Basketball ankommt.“ Teamgeist wollte er sagen.

Und den verkörpert aktuell kaum ein Team besser als die MHP Riesen. Schade nur, dass jetzt erst mal Länderspielpause ist. Bis 3. Dezember. Doch Patrick betont: „Wir brauchen die Pause zum Regenerieren. Schließlich versuchen wir, immer noch besser zu werden.“ Klingt nach Drohung – und Versprechen zugleich.