Aufgehübscht: das Schulzentrum Nord Foto: Guhl

Das 37. Architekturquartett diskutiert über ein Schulzentrum, Flüchtlingsunterkünfte und ein Kinder- und Familienzentrum.

Stuttgart - Eine Premiere gab es beim 37. Ludwigsburger Architekturquartett: Auf der Bühne saß „100 Prozent Frauenpower“, wie Moderator Friedemann Gschwind sich ausdrückte. Vordergründig könnte der Eindruck entstehen, dies habe mit spezifisch weiblichen Themen zu tun. Aber erstens hat das Quartett Kindergärten auch früher schon oft diskutiert. Und zweitens saßen drei der vier Frauen eindeutig wegen ihrer architektonischen und nur Veronika Kienzle, die Bezirksvorsteherin von Stuttgart Mitte, wegen ihrer sozialen Kompetenzen auf dem Podium. Die im Übrigen in der Architektur durchaus eine Rolle spielen sollten.

So etwa im Fall des von Wulf Architekten runderneuerten und mit neuen Aluminium-Fassadenelementen versehenen Schulzentrums Nord in Stuttgart: An dem Umbau des flach gelagerten, Ende der 1970er-Jahre entstandenen Komplexes, der eine ganze Talmulde an der Heilbronner Straße besetzt, schieden sich die Geister. Für die Architektur-Publizistin Ursula Baus handelt es sich um einen Neubau. Kienzle hat es eher als Sanierung empfunden. Baus fühlt sich angesichts der Blautöne im Inneren an ein Schwimmbad erinnert. Kienzle hat sich trotz der kühlen Farben „nicht unwohl gefühlt“. „Alle Männer sind farbenblind“, stellte Gesine Weinmiller, aus Konstanz stammende, in Berlin lebende und in Hamburg lehrende Architektin provokativ in den Raum, gab jedoch zu bedenken, dass ein Neubau gewiss nicht dieselbe Qualität erreicht hätte. „Gottseidank hat man das nicht gemacht“, rief sie aus: „Chapeau!“

Bodenbelag erinnert Klodeckelabdeckung

Die Debatte entzündete sich dann an der zentralen Aula mit den zeittypisch Amphitheater-ähnlichen Stufen, insbesondere aber an deren Belag, der Kienzle an einen Flokati-Teppich erinnerte. Baus dachte eher an eine Klodeckel-Abdeckung, Amber Sayah, die Diskussionsleiterin und Architekturkritikerin dieser Zeitung sprach dagegen von einem „Plüschsofa-Ersatz“. Als solcher werden die Stufen wohl auch angenommen, was Kienzle „wunderbar“ fand und lediglich bemängelte, das der Außenraum vernachlässigt und der Bau „in einem Sumpfgebiet stehen gelassen“ wurde.

Schwierig war auch der zweite Fall: Flüchtlingsunterkünfte von Siegloch und Partner in Stuttgart-Botnang und Hofen am Neckar. Hervorgehoben wurde das „Stuttgarter Modell“ der dezentralen Unterbringung. Doch als Sayah meinte, die zweigeschossigen Systembauten erinnerten sie trotz allem an Container, gab Kienzle zurück : „Da muss ich Ihnen leider recht geben.“ Sie verwies auf das Haus Martinus im Stadtzentrum, wo sogar 300 Menschen ohne Probleme zusammenlebten. Baus riet dagegen, über den Stuttgarter Horizont hinauszublicken auf den deutschen Beitrag zur diesjährigen Architekturbiennale von Venedig. Dort sei eine „unglaubliche Vielfalt“ von Lösungen zu sehen, „nicht nur diese Zeilen“. Weinmiller wandte ein, was hier diskutiert werden könne, seien alles politische Themen, ansonsten könne man nur über Farben reden. „Wir müssen grundlegend anders denken“, meinte sie: wie nämlich ganz grundsätzlich Wohnraum geschaffen werden könne für „Menschen die wenig Geld haben“.

Eine Fülle durchdachter Details

Beim dritten Objekt, einem Kinder- und Familienzentrum in Ludwigsburg-Poppenweiler von M-Architekten waren sich alle einig. Ein Wohnhaus von 1991 wurde um einen Holz-Anbau im doppelten Volumen erweitert. Von außen wäre dem zur Straße hin sehr geschlossenen Bau, mit grauer Aluminium-Lasur und Titanzinkblechdach, die Funktion ohne Aufschrift gar nicht unbedingt anzusehen. Innen enthält der Holzbau mit wechselnden Dachschrägen, vom Bestands- zum Neubau um ein halbes Stockwerk versetzt, eine Fülle durchdachter Details bis hin zur Möblierung: von den Architekten selbst entworfen, an die kindlichen Dimensionen angepasst, in dezenter Farbgebung. Kienzle war „total begeistert.“ Baus bekannte, „es geht einem das Herz auf.“ Weinmiller schloss sich an: „Da kann man nicht anders als in die Lobeshymnen mit einzustimmen.“ In die sie den Bauherrn ausdrücklich mit einbezog.