„Wir gehen als Team auf den Platz“: Die A-Mädchen des HCL haben in kurzer Zeit zwei Titel gewonnen. Nun spielen sie um den vorerst größten. Foto: Verein

Zwölf Mädchen vom Ludwigsburger Hockey-Club spielen um den deutschen Titel. Ihr Weg dorthin verblüfft sie selbst.

Ludwigsburg - So viele Sachen, die seit dem 29. Januar passiert sind, sind ziemlich cool gewesen. Dass die Mädchen am Freitag früher aus der Schule durften, ist eine davon. Noch cooler ist allerdings, was in dem Brief steht, mit dem den Rektoren die Abwesenheit ihrer Schülerinnen erklärt wurde: „Herzlichen Glückwunsch“, hieß es in dem Schreiben, das der Hockey-Club Ludwigsburg (HCL) verfasst hat, „Ihre Schule wird von einer Süddeutschen Meisterin besucht.“ Und weil diese Süddeutsche Meisterin an diesem Wochenende zur Deutschen Meisterin werden könnte, so ging es sinngemäß weiter, könne sie am Freitag den Schultag nicht planmäßig absolvieren, sondern müsse vor Unterrichtsende den Bus nach Braunschweig nehmen. Dort nämlich beginnt am Samstag die Endrunde um den deutschen Meistertitel.

Sogar der Trainer ist begeistert

Natürlich haben die 13- und 14-jährigen Mädchen alle frei bekommen. Es passiert ja nicht so oft, dass man einen so großen Titel holen kann. Es ist ja sogar eine Leistung, dass die A-Mädchen des HCL überhaupt so weit gekommen sind. Sogar der Trainer Tobias Weißer, 23, sagt: „Das ist eine Sensation!“ Also auch das: ziemlich cool!

Der sensationelle Weg der Hockey-Mädchen vom HCL beginnt am 29. Januar in der Ludwigsburger Alleenhalle. Dort findet die Baden-Württembergische Hockey-Meisterschaft statt. Die Spielerinnen von Tobias Weißer lassen die Bietigheimerinnen hinter sich, sie besiegen die Freiburgerinnen und die Gegnerinnen vom TSV Mannheim ebenfalls. Im Finale treffen die Ludwigsburgerinnen auf die Mannheimerinnen vom HC. Ausgerechnet!

Der Mannheimer HC zählt zu den professionellsten Hockey-Vereinen Deutschlands. Neun hauptamtliche Trainer arbeiten dort, sogar eine zweite Mädchen-Mannschaft gibt es, die um den Landes-Titel mitspielte. Im Sommer auf dem Feld haben die Ludwigsburgerinnen gegen die Mannheimerinnen verloren. In der Gruppenrunde in der Alleenhalle auch. Und jetzt das Finale? Nach der ersten Halbzeit steht es eins zu eins. Erst spät in der zweiten Hälfte fällt das zweite Tor. Franziska Henning, schlenzt den Ball durch die Beine der Gegnerin direkt ins Tor. „Das war cool!“, sagt die linke Stürmerin. „Das war der schönste Moment bisher“, sagt die rechte Stürmerin Nina Schindler. „Fast noch schöner als der Sieg bei der Süddeutschen“, sagt Isabelle Schmidt, die im Finale der Süddeutschen Meisterschaft am 12. Februar in Darmstadt eine Ludwigsburger Niederlage verhindert hat. Für den Trainer Tobias Weißer war der Sieg über die Mannheimer der Schlüsselmoment. „Die Mädchen haben gemerkt, was sie schaffen können.“

Die Damen sollen aufholen

Hört man in Ludwigsburg – oder in hockey-affinen Gegenden anderswo – die Buchstaben HCL, denkt man an die erste Herrenmannschaft, die in der ersten Bundesliga spielt. An die namhaften Zeiten der hiesigen Hockey-Damen hingegen erinnert sich außerhalb des harten HCL-Kerns vermutlich kaum jemand. In den 1950er Jahren gewannen die Damen einmal auf dem Feld und einmal in der Halle eine Württembergische Meisterschaft, in den 90er Jahren schafften sie zwei Mal den Aufstieg in die Regionalliga Süd – das war’s. Und das soll sich ändern.

Seit gut fünf Jahren sichtet der HCL in den Gruppen für seine Minis, in den Sport-Gruppen der Schulen und wo man sonst noch sichten kann, künftige Künstler am Krummstock. Leiteten die Trainings bis dahin ausnahmslos Breitensportler, gibt es auf dem Gelände an der Fuchshofstraße heute drei (ehrenamtliche) Trainer, die aus dem Leistungssport kommen. Tobias Weißer etwa steht bei den Bundesliga-Herren im Tor, außerdem hat er den zweithöchsten Trainerschein. Und die Spiele – sie müssen nicht immer wichtig sein – werden inzwischen gefilmt und analysiert, damit die Spielerinnen „top vorbereitet in jedes Spiel gehen“, wie Tobias Weißer sagt – und der mit seinem Team nun die ersten Früchte der Arbeit erntet.

Auch der Geist wird trainiert

In Braunschweig spielen acht Teams um den Titel. Zu den Ludwigsburger Gruppengegnern gehört Großflottbek, bei dem immerhin eine Nationalspielerin im Aufgebot steht. „Die kann ja nicht schlecht sein“, sagt die Stürmerin Larissa Stanjeck. Und Crefeld, ein anderer starker Konkurrent, hat eine Spielerin – wehe, wenn die durchkommt, sagt die Verteidigern Jule Florinski. Andererseits sagen alle A-Mädchen über ihre Mannschaft: „Wir sind alle gut, und wir gehen als Team auf den Platz.“ Mentaltraining, das am Rande, gibt’s für die Hockey-Mädels vom Fuchshof auch. Ausrasten bei einer ungerechten Schiri-Entscheidung oder innerlich aufgeben bei einem Gegentor – das war einmal. Heute ist gelassen bleiben und kämpfen bis zur letzten Sekunde. „Wir haben uns mental weiterentwickelt“, sagt Tess Kraut. Und auch deshalb, das sehen alle so, am 29. Januar gegen den Angstgegner Mannheim gewonnen.

Fast alle Mädchen wären am Freitag eigentlich in die Faschingsferien aufgebrochen. Aber alle – und wieder: cool – haben den Skiurlaub mit den Eltern verschoben. Erst mal geht’s nach Braunschweig. Um, wie es Nina Schindler ausdrückt, schönes und befreites Hockey zu spielen.