Foto: Michele Danze

Für Lou Reed ist Fotografieren und das Schaffen von Rockmusik dasselbe – Präsentation in der Stuttgarter Galerie Michael Sturm.

Stuttgart - Lou Reed reist derzeit per Minivan mit seinem Bekannten, dem Fotografen Werner Lorke, durch europäische Galerien und zeigt Bilder seines Fotobandes „Rimes – Rhymes“. Zwei Tage machte er Station in der Stuttgarter Galerie Sturm und gab das folgende Interview mit leiser Stimme.


Mr. Reed, es war zu lesen, Ihre Fotos hätten mit Ihrem Schaffen als Rockmusiker zu tun. Inwiefern?
Beides ist exakt dasselbe. Derselbe ekstatische Impuls, dieselbe Herangehensweise, auch technisch.

Ihr Songschreiben betraf den Menschen, Ihr vorletzter Fotoband „Romanticism“ hingegen zeigt nur auf einem Bild eine Frau: Ihre Frau, die New Yorker Künstlerin Laurie Anderson. Ansonsten sieht man Natur pur.
Es ist schwer, Personen zu fotografieren, ohne dass sie in Posen erstarren. Das braucht sehr viel Zeit.

Deshalb fotografieren Sie jetzt lieber Landschaften?
Nein, alles, wie Sie an den neuen Fotos sehen. Alles, nur kein „modelling“. Nichts Steifes, nichts Falsches.

„The Independent“ schrieb, Sie seien als Fotograf ein „talentierter Amateur“. Würden Sie dem zustimmen?
Ich hoffe es – wenn der Begriff Amateur meint, etwas begeistert mit frischen Ideen zu tun. Wissen Sie, der eine schreibt dies, der andere das. Ich lese das alles nicht. Ich mache mein eigenes Ding.

Das mit dem Amateur gilt nicht für Sie als Rockmusiker. Haben Sie sich nicht immer extrem um technisch-formale Dinge gekümmert? Und arbeiteten Sie nicht auch einmal als bezahlter Songschreiber in New York?
Ich habe schon als 14-Jähriger Songs geschrieben, nur so zum Spaß. Um den Sound kümmerte ich mich dabei wie um sonst nichts. Wie man am besten die Gitarre stimmt, welche Größe und Anzahl Boxen und Verstärker haben sollen. Ich hatte vier Boxen, die mich fast taub gemacht haben, und brauchte die richtigen Typen, Verrückte wie mich, damit die Ausrüstung optimal passt. Das bedeutete konkret eine jahrelange Arbeit an Details. Und heute, auf MP3, hörst du eh keinen Unterschied mehr. Aber dafür steht dir die ganze Musik der Welt („world library“) zur Verfügung, und du stößt auf Sachen, die du dir dann auf Vinyl besorgen kannst. Auch in meiner Radioshow in New York haben wir Vinyl, obwohl es keinen Unterschied macht, weil digital aufgenommen wird.

Was spielen Sie denn als Radio-DJ?
Rock! Und alles zwischendrin, Albert oder Ornette.

Ornette Coleman im Radio?
Klar. „Lonely Woman“ ist unser Themensong. Aber Albert Ayler verehre ich am meisten. „Live in Greenwich Village“ – wenn du die nicht hast, gehörst du erschossen! Ein unglaublicher Beweis, dass es sich zu leben lohnt.

Wofür steht der Name „Rhymes“ im Titel Ihrer Fotoreihe?
Es gibt Bezüge der Bilder untereinander, die nicht thematisch nach Städten oder Jahren angeordnet sind, sondern in einer Kombination vieler Dinge, die sich reimen.

Fotografieren Sie auch in Deutschland?
Sicher tu ich das.

Und welche Orte, welche Sujets?
Was sich ergibt. Ich bin ja kein angestellter Fotograf.

Was hat es mit Ihren viel zitierten „Abenteuern mit Licht“ auf sich?
Wenn du Glück hast, triffst du auf ein ganz spezielles Licht, für das es sich um die ganze Welt zu reisen lohnt.

Im Unterschied zu „Romanticism“ verwendeten Sie auch wieder Farbe  . . .
Ja, das Ergebnis eines Spielens mit der Kamera, nicht von Fotoshop-Technik. Instinktiv, ohne Patentrezept. Die schönsten Farben finden sich übrigens bei den Fischen am Meeresboden. Mein Gott, was für Farben es bei den Tieren gibt!

Als Songschreiber kümmerte Sie der Mensch, bevorzugt jener in existenziell schwieriger Lage, und Sie hatten dabei einen realistischen, „objektiven“ Ansatz.
Ich weiß nicht, ob der wirklich so objektiv war. Eigentlich wollte ich nur die wunderbare Sprache von Leuten wie Hubert Selby, Ginsberg oder Burroughs in Rocksongs übertragen.

Aber auf sarkastische Art. Mit der Kamera wirken Sie eher mild.
Ich muss als Fotograf niemandem etwas beweisen. Ich versuche nur, etwas Schönes zu zeigen.

Schreiben Sie derzeit überhaupt Songs?
Mich interessiert zurzeit meine Band Metal Machine Trio. Wir spielen nicht Songs, sondern „incredible sinfonies of sound“, lange Stücke, in denen improvisiert wird. Wer bei uns übt, wird geschlagen!