In den hippen und schönen Stadtvierteln von London steigen die Mieten ins Unermessliche. Foto: dpa

In London werden günstige Wohnungen in Luxusimmobilien integriert – aber mit separatem Treppenhaus und getrennten Briefkästen. Damit sich Reich nicht mit Arm abgeben muss.

London - Die Schere zwischen Arm und Reich klafft in London gewaltig auseinander. Und diese Kluft wird immer größer. Auch steigende Immobilienpreise in der britischen Hauptstadt tragen zu der seit Jahren anhaltenden Entwicklung bei. Mit diesem Problem sah sich auch schon der frühere Bürgermeister Ken Livingstone konfrontiert. Die Kritik wurde immer lauter. 2008 ordnete Livingstone daher an: Jedes Neubauprojekt in der Metropole muss auch Wohnungen für weniger gut betuchte Briten bieten.

Gesagt, getan: Heute gibt es in vielen Vierteln im Zentrum Londons sowohl einfache Sozialwohnungen als auch noblere Apartments, deren Preise ein Rekordhoch nach dem anderen jagen. Manchmal besteht sogar ein einzelner Immobilienblock aus einer Mischung aus erschwinglichen und exklusiven Wohnungen; die Investoren hätten sonst erst gar keine Bauerlaubnis von den Behörden bekommen oder der Zuschlag wäre an jemand anderen gegangen.

Was als soziale Integration gedacht war, sorgt nun für heftigen Streit. Denn um zu vermeiden, „dass die zwei sozialen Schichten aufeinandertreffen müssen“, wie es Tracey Kellett, eine Maklerin für besonders reiche und anspruchsvolle Kunden, ausdrückt, werden die unterschiedlichen Bewohner einfach strikt voneinander getrennt – indem separate Eingänge gebaut werden. Diese unterscheiden sich oft bereits im Aussehen deutlich, wie die britische Tageszeitung „The Guardian“ schreibt. Die wohlhabenden Mieter und Wohnungsbesitzer empfängt ein repräsentatives, glamouröses Portal mit einer edlen Front aus Glas, das den Weg in eine hotelähnliche Lobby mit Marmorfliesen und Plüschsesseln freigibt. Die weniger Betuchten Mieter betreten ihr Zuhause über eine einfache Tür in einer Seitenstraße neben den Lieferanteneingängen.

Die britische Presse nennt sie „Poor Door“, zu deutsch „Armentür“. Doch das Zweiklassen-Phänomen betrifft nicht nur die Eingänge. Auch Briefkästen, Mülltonnen und Fahrradhöfe sollen nach Besitzverhältnissen getrennt sein.

Was für die einen Grund zur Empörung, ist für die anderen Vermarktungsstrategie: Die Broschüre eines Wohnbauprojektes im Nordwesten von London wirbt mit den Sätzen: „Mieter von günstigen Wohnungen haben keinen Zugang zum Haupteingang, Gärten oder den Garagenstellplätzen. Die Briefkästen und Abfallcontainer sind ebenfalls getrennt.“ Bei Neubauten ist das Konzept der zweifachen Ausführung bereits Standard.

„Dieser Trend zeigt eine Verachtung für einfache Leute“, sagt sich Darren Johnson, Londoner Stadtrat der Grünen. Er ist aufgebracht: „Da werden Luxuswohnungen an reiche Investoren verkauft, die sich nicht mit alteingesessenen Bewohnern aus dem Viertel mischen wollen.“

Eine offizielle Lösung gibt es bisher nicht. Der Londoner Bürgermeister Boris Johnson sagt zwar, er sehe die Armentüren skeptisch. Doch ein Verbot schließt er aus. Die Verwaltungsgebühren sind hoch, wie etwa die Kosten für das Empfangspersonal oder die aufwendige Pflege der Luxusgebäude. Diese hohen Kosten könnten laut Johnson „nicht immer gleichmäßig von allen Hausbewohnern getragen werden und das ist das Argument, das die Bauunternehmer für doppelte Eingänge liefern“. So würden die ärmeren Mieter finanziell nicht überfordert, begründen auch die Immobilienfirmen ihr Vorgehen.

Der Trend zur Zweittür findet sich auch in den USA. In New York beispielsweise sollen auch Menschen mit einem unterdurchschnittlichen Jahreseinkommen in den attraktiven Vierteln der Stadt leben können. Wer als Bauherr einen Anteil an günstigen Wohnungen in seine neuen Häuser baut, bekommt einen Steuererlass. Dieses Angebot reduziert die Kosten der Besitzer – die aber anscheinend gerne in weitere Haustüren investieren. Denn auch in der US-Metropole ist vor kurzem ein Luxuswohnhaus im schicken Stadtteil Manhattan in die Schlagzeilen geraten, weil die Bewohner der günstigen Wohnungen einen Extra-Eingang benutzen müssen. Die Vermieter argumentieren, es sei problematisch, den Zugang auch den Mietern der günstigeren Wohnungen zu gewähren. Sie zahlten keinen Unterhalt und vernichteten den Anreiz für andere, eine teurere Wohnung zu mieten. Von „Housing Apartheid“ (Rassentrennung bei der Unterbringung) war die Rede. In London haben sich viele bereits an diese Praxis gewöhnt.