Links ist der Weilimdorfer Ortskern im Jahr 1955 zu sehen, rechts die Situation bei einem Überflug im Jahr 2015. Foto: Stadtmessungsamt Stuttgart

In unserer Serie Stuttgart von oben blicken wir auf den Löwen-Markt. Dem Ortskern von Stuttgart-Weilimdorf mussten erst die Stadtplaner auf die Sprünge helfen.

Weilimdorf - Herzog Carl Eugen von Württemberg hatte es seinerzeit eilig. Um auf dem schnellsten Weg von seiner Ludwigsburger Residenz ins Jagdschloss und Domizil „La Solitude“ zu gelangen, ließ er von 1764 bis 1768 als direkte Verbindungsachse die Solitudeallee bauen – sie führt heute noch durch einen Teil von Weilimdorf. „Das erste Haus, das in Weilimdorf an der Solitudestraße erbaut wurde, war 1767 das Gasthaus zum Ritter Sankt Georg“, sagt Erika Porten, Ehrenvorsitzende des Weilimdorfer Heimatkreises. „Der Husarenwachtmeister vom Schloss, Gottlob Äckerle, hatte vom Herzog Eichenstämme erhalten, um das Gasthaus zu bauen, diese dann aber verkauft und stattdessen billigere Fichten verwendet.“ Dummerweise stürzte die Decke ein – was Carl Eugen ganz und gar nicht amüsierte. Schließlich wollte er den Gasthof auch als Raststation nutzen, bei der die Kutschpferde ausgetauscht werden konnten. Äckerle musste eine Strafe zahlen, die Verfehlungen von der Kanzel der Oswaldkirche öffentlich bereuen und das Haus wieder herrichten. Der Bau steht noch heute an der Ecke zur Glemsgaustraße (früher Hauptstraße). Allerdings befindet sich in dem mittlerweile denkmalgeschützten Bau nun ein Matratzendiscounter und womöglich sind Rosshaarmatratzen das einzige, was dort noch an Pferde erinnert.

„Ein anderes ehrwürdiges Gebäude entstand gegenüber im Jahr 1876. Damals baute der Adlerwirt, Metzgermeister Gottlieb Keller, auch das Gasthaus zum Löwen“, sagt Porten. Im ersten Stock im Halbrelief war ein Löwe abgebildet. So hieß auch die Haltestelle der Stadtbahn, die seit 1926, zunächst nur eingleisig, nach Weilimdorf fuhr. „Wenn die Straßenbahn kam, rief der Schaffner nur laut ,Löwen‘“.

Im Jahr 1955 ließen Kellers Erben vom Weilimdorfer Bildhauer Calwer einen vollplastischen Löwen erarbeiten. Das Wirtshaus ist mittlerweile abgerissen. An seiner Stelle steht ein 2001 erbautes Wohn- und Geschäftshaus – die Kupferplastik hat die Jahre überlebt, sie ziert auf einem Sockel nach wie vor die Fassade, wenngleich auch etwas versetzt. Das Tier gibt auch dem angrenzenden Löwenplatz seinen Namen, wenngleich er nur im Volksmund so genannt wird. Offiziell und von amtlicher Seite gibt es keinen Löwenplatz in Weilimdorf.

Neues Zentrum geschaffen

„Es gab viele Jahre auch keinen eigentlichen Ortskern in Weilimdorf“, sagt Porten. Das habe sich erst Ende der 1970er Jahre geändert. „Weil die Kaufkraft aus dem Ort immer stärker abgeflossen ist, hat man sich überlegt, an dem sozusagen magischen Dreieck Staiger-/Solitude- und Pforzheimer Straße ein neues Zentrum zu schaffen – den Löwen-Markt mit Einkaufszentrum, Wohnungen, Bezirksrathaus und Bücherei“, sagt Porten. „Die Entwicklung des Ortskerns zu beschreiben, würde Seiten füllen, weil sie äußerst kontrovers diskutiert wurde.“ Fest steht: Am Ende wurde ein Sanierungsgebiet beschlossen und ein städtebaulicher Realisierungswettbewerb ausgelobt, und „von 1979 bis 1984 war die Ortsmitte um den Löwen-Markt eine einzige Baustelle“, erinnert sich Porten. „Auch das Rathaus wurde neu gebaut und im Juli 1984 feierlich eröffnet.“ Im Oktober desselben Jahres gab es ein großes Volksfest anlässlich der Fertigstellung des Löwen-Marktes (der auch beinahe ganz fertig war). „Fortan gab es im Ortskern alles, was man für seinen täglichen Bedarf braucht – sogar zwei Geschäfte mit ansprechender Mode und einen Hutladen“, sagt Porten.

Zur Verbesserung der Lebensqualität habe auch die Eröffnung der B295 als Umgehungsstraße im Jahr 1986 beigetragen. „Dadurch wurde der Verkehr in Weilimdorf deutlich reduziert.“ Im Jahr 1992 folgte die Eröffnung der Stadtbahnlinie U6 – die seitdem unterirdisch durch die Ortsmitte kurvt.

„Ich wohne seit 1973 und schon immer gern in Weilimdorf“, sagt Porten. „,Man hat hier nicht den Eindruck, in einer Großstadt zu leben.“ Für die Zukunft wünscht sich die ehemalige Bezirksbeirätin, dass man auch für die Kultur noch ein wenig mehr tut. „Was uns noch fehlt, ist ein ausreichend großes Bürgerhaus für kulturelle Veranstaltungen und Versammlungen“, sagt sie. „Ich hoffe, dass man dafür noch ein geeignetes Plätzchen findet.“ Ideen für mögliche Standorte hätte sie jedenfalls schon eine Menge.