Mit eigenen Geschichten erzählen Schüler den Faust nach. Foto: Horst Rudel

Goethe einmal anders: Schüler der Friedensschule führen im Literaturhaus eine „Faust-Rhapsodie auf“.

S-Mitte - Georgios ist in Deutschland dreisprachig aufgewachsen. In der Familie wird türkisch, russisch und griechisch gesprochen. Deutsch als vierte Sprache hat er erst später gelernt. Seit fünf Jahren nimmt er an der Sprachwerkstatt „Wort und Spiele“ teil, welche die Friedensschule gemeinsam mit dem Literaturhaus organisiert. „Er ist einer der Schüler, die in den letzten Jahren wahnsinnige Fortschritte gemacht haben“, erzählt der Sprachkünstler Timo Brunke, der künstlerische Leiter des Projekts. Inzwischen habe Georgios einen richtig großen Wortschatz. „Für mich ist es jetzt eine Freude, seine Texte zu lesen“, sagt Brunke.

Heute findet im Literaturhaus die Abschlussveranstaltung der Neuntklässler der Friedensschule statt. Die zwölf Geschichten, welche die Schüler auf der Bühne erzählen, erinnern nur noch entfernt an Goethes Faust. „Die Aufgabe der Schüler war es, den Text selber weiterzuspinnen“, so Brunke. So sind Geschichten der Schüler entstanden, die sich mit den Themen Verführung oder dem Teufels-Pakt befassen. „Wichtig war mir, dass sie die Handlung auf Erlebnisse aus ihrem eigenen Leben übertragen“, sagt Brunke. Ein Schüler habe zum Beispiel den Pakt mit dem Teufel auf den VfB übertragen. Um hervorzuheben, dass die Schüler ihre Texte mündlich vortragen, habe er es „Rhapsodie“ genannt.

Wort und Spiele im Unterricht

Das Projekt „Wort und Spiele“ gehört zur Reihe „Unterricht im Dialog“, die das Literaturhaus seit 2006 und bis zu diesem Jahr an acht Stuttgarter Schulen angeboten hat. Unterstützt wird das Projekt von der Robert Bosch Stiftung. „Unser Ziel war, eine neue Kunst- und Bildungskooperation mit Schulen auszuprobieren“, sagt Erwin Krottenthaler, stellvertretender Leiter des Literaturhauses. Dabei sollte die Form der Schreibwerkstätten nicht nur eine freiwillige AG sein, sondern in den Unterricht integriert werden. „Sonst hätten wir erneut nur die interessierten Schüler erreicht.“.

Eine Ausnahme innerhalb des Projekts ist die Friedensschule. Hier hat Timo Brunke die beiden Klassen vom ersten bis zum letzten Schuljahr begleitet. In den anderen Schulen wechselte die Klasse jeweils zum Schuljahresende. Die Schule im Westen ist eine sogenannte Brennpunktschule mit hohem Migrantenanteil. Unter den 37 Schülern, mit denen Brunke und die beiden Lehrerinnen Nadine Mühlberger und Lydia Vranic arbeiten, sind nur vier Deutsche.

Erfolgserlebnisse für die Friedensschüler

Um die Schüler zu erreichen, gestalten Brunke und die beiden Lehrerinnen den Unterricht eher spielerisch. Brunke hat sich an der Schule einen Raum ausgesucht, in dem keine Tische und Stühle sind. „Ich arbeite auch viel mit Atem- und Körperübungen“, erzählt er. Im Anschluss an jedes Treffen stehen Spiele mit Wörtern auf dem Programm, um die Fantasie der Schüler anzuregen. „Ich möchte ihnen eine eigene, innere Welt eröffnen“, so der Dozent Brunke. Wichtig sei, die Schüler dort abzuholen wo sie stünden. „Wenn ich ihnen die Odyssee als eine Seefahrergeschichte präsentiere, kann ich ihr Interesse eher gewinnen, als wenn ich ihnen sage, es ist wichtige klassische Literatur.“

Stolz ist Brunke darauf, dass die Schüler alle im Laufe der Jahre ihre Erfolgserlebnisse hatten. „Am Anfang haben sie mit Schrecken daran gedacht, wenn der Herr Brunke kommt“, erzählt er. Jetzt seien sie sehr viel aufgeschlossener, ist Brunkes Eindruck. Eine Aufführung haben die beiden Klassen in der vergangenen Woche bereits hinter sich gebracht. „Ich fand es toll, wie sie die Originalfassung mit ihren eigenen Texten angereichert haben“, findet die Schulleiterin Rosy Freyd.

VorstellungDer Beginn ist heute, 19. März, 20 Uhr, im Literaturhaus, Breitscheidstraße 4.