In Stuttgart helfen viele Menschen freiwillig in der Flüchtlingsarbeit. Sie müssen von Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Das wachsende ehrenamtliche Engagement verlangt Sozialarbeitern viel ab: Sie müssen die Arbeit der Freiwilligen koordinieren. Wohlfahrtsverbände fordern daher mehr Personal.

Stuttgart - Die Liga der Wohlfahrtsverbände fordert mehr Sozialarbeiter in Flüchtlingsunterkünften, vor allem um ehrenamtliche Mitarbeiter besser anzuleiten. „Die steigende Zahl von Ehrenamtlichen erfordert von den Sozialarbeitern immer mehr Arbeit“, sagt Fritz Weller, Migrationsexperte bei der Liga.

So seien beispielsweise für die Caritas im Jahr 2013 lediglich zehn Ehrenamtliche tätig gewesen. Mittlerweile sind es fast 200 ehrenamtliche Helfer, die sich allein in den 17 von der Caritas geführten Unterkünften engagieren. Sie helfen bei Hausaufgaben, begleiten die Flüchtlinge zu den Behörden, organisieren Ausflüge. „Einerseits ist das ehrenamtliche Engagement eine große Hilfe, weil die Freiwilligen das tun, wozu wir nicht kommen“, sagt Weller. Andererseits müsse ihnen auch gezeigt werden, wo Hilfe besonders gebraucht wird. „Diesen erhöhten Personalaufwand wollen wir gerne über den Betreuungsschlüssel steuern“, sagt der Migrationsexperte. Die Liga schlägt daher vor, dass ein Sozialarbeiter künftig im Schnitt 100 Flüchtlinge betreut. Derzeit liegt der sogenannte Betreuungsschlüssel bei 1:136.

Zurzeit engagieren sich rund 800 ehrenamtliche Helfer in Stuttgart in Flüchtlingsfreundeskreisen. Die SPD-Fraktion unterstützt angesichts des wachsenden freiwilligen Engagements die Forderung der Wohlfahrtsverbände. „Gerade in den großen Unterkünften, den Systembauten, wollen sich im Schnitt 60 bis 80 Personen engagieren“, sagt Maria Hackl, die stellvertretende Vorsitzende des SPD-Fraktion. Ihre Partei hat daher einen Antrag in den Gemeinderat eingebracht, in dem sie mehrere Forderungen an die Verwaltung stellt. „Der Schlüssel muss deutlich verbessert werden“, sagt Hackl. Auf ein konkretes Verhältnis will sie sich nicht festlegen. Das zu verhandeln sei Aufgabe von Verwaltung und Betreuungsorganisationen.

Im kommenden Jahr will der Gemeinderat über den Schlüssel beraten. Die Finanzierung erfolgt durch die Pro-Kopf-Pauschale, die das Land den Kommunen zahlt. Sie liegt je Flüchtling bei einer Einmalzahlung von 12 566 Euro, die für 18 Monate ausreichen soll. Tatsächlich zahlt die Stadt bereits jetzt drauf. Laut Sozialverwaltung reichen die Mittel aus der Pauschale lediglich für ein Betreuungsverhältnis von 1:140 aus.

Der Landkreistag Baden-Württemberg hatte daher bereits im Oktober gewarnt, dass die Kreise in diesem Jahr auf Kosten von 49 Millionen Euro sitzenbleiben würden. Nur wenige Kreise wie zum Beispiel Hohenlohe oder Freudenstadt kämen mit der einmaligen Pauschale aus. Nach Angaben des Landkreis-Verbandes wird das Land die höheren Kosten für 2014 auch rückwirkend zahlen.

Angesichts der steigenden Kosten fordert Stadtrat Thomas Fuhrmann (CDU) eine klare Auflistung der Mehrarbeit, die anfällt. „Wenn wir 15 Stellen mehr in der Sozialarbeit schaffen, dann müssen wir das auch wasserdicht rechtfertigen können“, sagt Fuhrmann. Es müsse deutlich sein, wo wie viel Arbeit für die Unterstützung von ehrenamtlichen Helfern anfällt. Derzeit sind für die 69 Unterkünfte in der Stadt 45 Soziarbeiter zuständig.

Der Beratungsbedarf steigt aus diversen Gründen. Ehrenamtliche helfe vor allem bei Erstinformationen, bei der Orientierung im Stadtgebiet, bei der Suche nach Schul- und Kindergartenplätzen oder nach Ärzten, Rechtsanwälten sowie Freizeitangeboten.

„Ehrenamtliche können auch traumatisierten Flüchtlingen helfen, indem sie erst einmal ein offenes Ohr haben und ihnen zuhören“, sagt Maria Hackl (SPD). Ihre Fraktion regt zudem an, in den großen Unterkünften die Hausleitungen zu entlasten. „Immer mehr hausmeisterliche Aufgaben fallen in den Bereich der Hausleitung“, sagt Hackl. Auch die Gesundheitsversorgung bindet immer mehr Arbeitskräfte. „Viele Untersuchungen müssen von der Stadt nachgeholt werden, die eigentlich von der Landeserstaufnahmestelle hätten erfolgen müssen“, sagt Hackl. Die Sozialarbeiter müssen dafür Sorge tragen, dass die Gesundheitsversorgung erfolgt.

Die SPD-Fraktion schlägt vor, die Kosten aus der sogenannten Deckungsreserve zu finanzieren. Sie ist das Budget der Stadt, das für unvorhergesehene Ausgaben bereitsteht, die vor den Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2016/2017 anstehen.