Neben Life-Kinetik stehen auch teambildende Maßnahmen auf dem Trainingsplan. Klicken Sie sich durch die Bilder von der Vormittagseinehit am Dienstag. Foto: Baumann

Neu Trainingsmethoden beim VfB: Seit kurzem steht auch Gehirnjogging auf dem Programm.

Stuttgart - Seit kurzem werden beim VfB nicht mehr nur die Beine trainiert. Einmal in der Woche steht auf dem Wasen Life-Kinetik auf dem Programm. Die Übungen sollen leistungsfähiger machen. Wie gut das funktionieren kann, zeigt sich am Beispiel von Borussia Dortmund.

Rennen, passen, schießen - so einfach ist Fußball schon lange nicht mehr. Der moderne Fußball ist rasant, der Druck enorm. Die Aufgaben werden immer komplexer, Entscheidungen müssen in Sekundenbruchteilen getroffen werden. Ein Spieler, der den Ball bekommt, hat keine Zeit, um zu überlegen: Wohin passe ich? Spiele ich ab, dribble ich lieber oder schieße ich gleich aufs Tor? Wer zu lange überlegt, hat schon verloren. Es muss schnell gehen in den Stadien. Nicht nur auf den Beinen, sondern auch im Kopf.

Neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen

Und deshalb trainieren die VfB-Profis seit Ende Februar nicht mehr nur ihre Körper, sondern einmal wöchentlich auch ihre Gehirne. Efthimios "Effi" Kompodietas zeigt den Spielern vom Tabellen-15., wie das geht. Der ehemalige Profi aus Bielefeld ist Life-Kinetik-Coach. "In ihm haben wir einen tollen Partner gefunden", sagt VfB-Co-Trainer Eddy Sözer.

Wenn Effi in Stuttgart ist, dann kommen die Profis nicht so sehr ins Schwitzen, dafür aber umso mehr ins Grübeln. Der Coach stellt nicht alltägliche visuelle und koordinative Aufgaben. Aus Ballartisten werden Jongleure oder Rechenkünstler. Jongleure, wenn sie mit mehreren Tennisbällen gleichzeitig auf Ansage unterschiedliche Kunststücke vollführen. Einen Ball prellen, den anderen in die Luft werfen zum Beispiel. Rechenkünstler, wenn sie während eines Sprints Aufgaben lösen sollen. Multitasking heißt das Zauberwort. Am Dienstag stand auch Teambildung auf dem Programm. Ein Spieler bekam die Augen verbunden, der andere musste ihn durch einen Parcours führen. "So wird auch das Vertrauen in den Mitspieler gestärkt", erklärt Eddy Sözer.

"Das ist kein Aktionismus"

Durch die ungewohnten Herausforderungen bildet das menschliche Gehirn neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen, so genannte Synapsen. Das Ergebnis: Die Spieler können schneller Lösungsmöglichkeiten entwickeln, schneller reagieren, Informationen verarbeiten, denken und handeln - alles Tugenden, die auf dem Fußballplatz über Sieg und Niederlage entscheiden können.

Deshalb haben VfB-Trainer Bruno Labbadia und sein Assistent Eddy Sözer auch schon während ihrer gemeinsamen Zeit in Hamburg und Leverkusen über diese Art des Trainings nachgedacht. "Gehirntraining ist ja nichts Neues. Es gibt mittlerweile einige Vereine und auch einzelne Spieler, die damit arbeiten", sagt Sözer.

Ersatztorwart Marc Ziegler beispielsweise hat schon zu seiner Zeit bei Arminia Bielefeld (2006/2007) damit begonnen und Nationalkeeper Manuel Neuer vom FC Schalke schwört ebenso auf Life-Kinetik wie Heiko Westermann vom HSV oder Halil Altintop von Eintracht Frankfurt.

"Das ist kein Aktionismus"

Dass Gehirnjogging zum Erfolg führen kann, zeigt sich aber am besten am Beispiel Borussia Dortmund. Das Team von Jürgen Klopp war das erste in der Liga, das regelmäßig mit dem Kopf arbeitete. Jetzt ist es Tabellenführer - und begeistert mit seinem schnellen Spiel. Auch der SC Freiburg, der 1. FC Nürnberg und 1899 Hoffenheim arbeiten seit Beginn dieser Saison mit Life-Kinetik. Die Dortmunder aber waren schon ein Jahr früher dran. Und das ist der Knackpunkt: Kurzfristige Erfolge sind nicht zu erwarten. Erst nach etwa sechs Monaten sind positive Effekte zu sehen.

Im Kampf gegen den Abstieg wird diese Methode den VfB also nicht weiterbringen. So etwas, sagt Manager Fredi Bobic, könne man nicht in ein, zwei Wochen verinnerlichen. "Das ist kein Aktionismus. Wir arbeiten schon für die Zukunft", erklärt er. Und auch Eddy Sözer betont: "Life-Kinetik ist nur ein Baustein in unserer Arbeit und nicht etwa unser letzter Strohhalm. Der letzte Strohhalm sind wir selbst, die Mannschaft."

Neben dem Gehirnjogging versucht das Trainerteam deshalb auch, ihr Team nach der blamablen Vorstellung im Heimspiel gegen Kaiserslautern (2:4) wieder homogener zu machen. Das Kollektiv habe in diesem Spiel absolut nicht funktioniert, moniert Bobic. Labbadia und Sözer setzen im Training nun vermehrt auf Partnerübungen, um den Zusammenhalt zu stärken. So wie bei den Widerstandsläufen am Dienstagvormittag - nach der Kinetik-Einheit. Aneinandergekettet hatten die Profis sichtlich Freude "Dieser Faktor darf auch in unserer Situation nicht zu kurz kommen", betont der Co-Trainer. Spaß und Köpfchen sind beim VfB derzeit gefragt - drei Punkte im Spiel beim 1.FC Köln am Samstag (15.30 Uhr) wären allerdings noch viel wichtiger.