Der Liedermacher Kris Kristofferson hat auch ohne große Stimme Fans gewonnen. Foto: EPA

Großartige Songs für andere hat Kris Kristofferson immer schon geschrieben. Aber er wollte auch selbst als Sänger und Schauspieler bekannt werden. Achtzig Jahre lang hat er sich dabei seinen Charakterkopf bewahrt.

Stuttgart - Ein scharfzüngiges Lied gegen den Vietnamkrieg zu dichten, damit konnte man in den sechziger Jahren in den USA sein Songschreiberglück machen. Der kantige Kris Kristofferson stolperte wie so oft in seinem Leben über Regeln und die eigenen Beine. Er schrieb 1966 ein Lied für den Vietnamkrieg. Oder jedenfalls eines, das die Wut eines jungen Veteranen über die Anti-Kriegs-Demonstranten zuhause ausdrückte, den „Vietnam Blues“, den Dave Dudley erfolgreich als Trotzsong für die Konservativen aufnahm.

Er schäme sich nicht für dieses Lied, sagt Kristofferson bis heute, aber es habe ihm schon einigen Kummer bereitet, als sich „meine eigene Einstellung zum Vietnamkrieg um 180 Grad gedreht hatte.“ Da war der Mann, der am 22. Juni vor 80 Jahren in Brownsville, Texas, geboren wurde, noch immer nicht als Sänger erfolgreich, aber ein sicherer Hitlieferant für andere. „Me and Bobby McGee“ wurde einer der wichtigsten Songs im Repertoire von Janis Joplin, „Sunday Mornin’ comin’ down“ punktete in der Version von Johnny Cash. „Help me make it through the Night“ brachte Country-Sängerin Sammi Smith ganz nach oben in die Charts, wurde aber auch von Elvis Presley und Gladys Knight aufgenommen, und „For the good Times“ zahlte sich für Ray Price, Wayne Newton und Perry Como aus.

Nichts vorschreiben lassen

Aufgewachsen in Kasernen, hatte der Soldatensohn nach ersten Versuchen als Singer-Songwriter doch die Uniform angezogen. Er war bereits Captain, als er den Dienst quittierte und doch wieder Musik machte. Obwohl er weder eine schöne noch eine spektakulär schräge Stimme besitzt, hat Kristofferson immer wieder eigene Platten aufgenommen. Er arbeitet sich am Unmöglichen ab, und gerade das hat ihm, gestützt auf vorzügliche Lieder, eine Hörergemeinde gebracht. Hier lässt sich einer von den Launen des Schicksals nicht vorschreiben, wie er sich entfalten darf. Immer wieder mal war der einst in Deutschland Stationierte auch in Stuttgart im Konzert zu hören.

Mit der gleichen Chuzpe hat Kristofferson auch eine Schauspielerkarreire begonnen. Mochten ihn noch so viele Kritiker und Zuschauer als unbewegliches Sperrholzgesicht verhöhnen, so unterschiedliche Regisseure wie Sam Peckinpah („Pat Garrett and Billy the Kid“, 1973), Martin Scorsese („Alice lebt hier nicht mehr“, 1974), Michael Cimino („Heaven’s Gate“, 1980) und John Sayles („Lone Star“, 1996) haben ihn als Charakterkopf erkannt und wirkungsvoll besetzt.

Kritiker der Weltmacht

Ein Leinwand-Star ist er so wenig geworden wie ein A-Liga-Sänger. Als knurriger alter Mann, der von anderen Zeiten erzählt, könnte er in der Country & Western-Szene vielleicht mehr denn je auftrumpfen. Aber weil er längst ein Linker geworden ist, jedenfalls einer, der die egoistische Durchsetzung amerikanischer Weltmachtinteressen kritisiert, bleibt ihm auch dieser Markt verwehrt. Wenn ihn Journalisten regelmäßig fragen, ob er nicht doch auf irgendeinem Feld ganz nach vorne kommen wollte, gibt er die klassische Antwort: nein, er habe bislang „immer tun können, was ich liebe und wonach mir der Sinn stand.“