Das Titelbild des BuchsDas Titelbild des Buchs Foto: VHS Unteres Remstal

Von „Saure Sahne“ bis „Einkommenssteuererklärung“: Die Volkshochschule Unteres Remstal veröffentlicht ein Büchlein mit den Lieblingsbegriffen von Sprachschülern aus Integrationskursen.

Waiblingen - Die Begriffe „Urlaub“, „Eichhörnchen“, „Saure Sahne“ oder „schön“ sind grundverschieden, und doch eint sie eine Sache: Sie alle haben das Zeug dazu, von einem Menschen zum Lieblingswort gekürt zu werden. Den Beweis liefert ein Büchlein, welches die Volkshochschule Unteres Remstal nun mit dem Iris Förster Verlag in Waiblingen herausgegeben hat. In dem von Susanne Koivunen gestalteten Band im quadratisch-praktischen Format stellen Teilnehmer von Integrationskursen ihre persönliche Lieblingsvokabel vor und begründen – mal kurz und knackig, mal ausführlicher –, wieso ihre Wahl ausgerechnet auf diesen Begriff gefallen ist.

Das kleine Buch, das in einer Auflage von 500 Stück erschienen ist, sei im Grunde genommen ein Zufallsprodukt, erzählt Agnes Holweck-Tritean, die bei der Volkshochschule den Fachbereich Deutsch und Integration leitet und das Projekt zusammen mit Karen Burkhardt betreut hat. „In einem Lehrbuch gibt es eine kleine Aufgabe, bei der die Schüler etwas zu ihrem Lieblingswort schreiben sollen.“ In einem Kurs widmeten sich die Teilnehmer der Sache etwas intensiver. „Dabei sind sehr schöne Texte entstanden“, sagt Agnes Holweck-Tritean – und die Idee, noch mehr solcher Beiträge zu sammeln und in einem Buch zu vereinen. Die bunt gemischte Schar der Sprachschülerinnen und Sprachschüler aus aller Welt hat eine ebenfalls abwechslungsreiche Auswahl an Lieblingswörtern getroffen. Die VHS-Mitarbeiterin Karen Burkhardt hat dann die mehr als 30 schönsten Texte ausgewählt, die nun im Buch zu finden sind.

Bei „Tschüss“ denkt mancher ans Küssen

Manche Wörter sind Lieblingswörter, weil sie angenehme Erinnerungen oder Assoziationen wecken, beispielsweise „Urlaub“ oder, im Falle eines japanischen Kursteilnehmers, „Schnitzel“. Andere klingen für nichtdeutsche Ohren einfach lustig; sei es aus lautmalerischen Gründen – so etwa das Wort „gegangen“ – oder wegen ihrer Bedeutung. Letzteres trifft bei „Grüß Gottle“ zu. Der typisch süddeutsche Gruß ist der klare Favorit eines Teilnehmers, der seine Wahl folgendermaßen begründet: „weil ich es komisch finde, dass der große Gott klein wird“. Der Abschiedsgruß „Tschüss“ wiederum kann damit punkten, dass die Menschen beim Aussprechen „ihren Mund so formen, als ob sie jemand küssen wollten“.

Das wohl am häufigsten gewählte Wort sei aber „schön“ gewesen, erzählt Karen Burkhardt, daher beansprucht es auch eine ganze Seite im Buch. Und wieso ist „schön“ nun ein schönes Wort? „Weil es das erste Wort ist, das ich gelernt habe“, lautet eine Begründung. Ein anderer Mensch erzählt von der großen Angst und Unsicherheit bei seiner Ankunft in Deutschland, die plötzlich wie weggeblasen gewesen sei, als er mit folgendem Satz begrüßt wurde: „Das ist sehr schön, dass du da bist.“ Wieder ein anderer liebt den Ausdruck, weil er „sanft, melodisch, liebevoll und schön ist“.

Die vertraute Muttersprache aus neuem Blickwinkel

Doch auch widerborstige Buchstabenkombinationen werden geschätzt. So hat sich ein Sprachschüler für das Wort „Eichhörnchen“ entschieden, mit der Begründung, „weil ich es nicht aussprechen kann“. Wer durch das Büchlein blättert, entdeckt ganz neue Seiten seiner so vertrauten Muttersprache, sieht sie aus dem Blickwinkel von Menschen, die hier in Deutschland noch einmal neu anfangen möchten. Bei ihnen hat jedes Wort eine Chance. Der Beweis: Ein Teilnehmer hat doch tatsächlich das Wortungetüm „Einkommensteuererklärung“ auserkoren und verrät auch, wieso: „Dieses Wort braucht jeder, aber niemand erinnert sich daran.“