Die Tassen erinnern an die Oma mit ihrer wunderschönen Stimme. Foto: Lg/Max Kovalenko

Neben den zierlichen Sammeltassen hat die Opernsängerin Gudrun Kohlruss auch die gewaltige Singstimmstimme der Großmutter geerbt.

Stuttgart - Je unterschiedlicher die Dekors, desto besser: Das war die Devise für die zierlichen Sammeltassen, die früher in jeden Geschirrschrank gehörten. Auch in jenem von Gudrun Kohlruss’ Großmutter standen sie. Vor vielen Jahren zogen sie um und haben nun ihren Ehrenplatz in der Vitrine der Opernsängerin. Wie unschätzbar der ideelle Wert der Tässchen für sie ist, entdeckte sie erst als Erwachsene: „Sie sind sozusagen mein Erbteil.“ Weshalb so wenig vom Hausstand der Oma übrig blieb, weiß sie nicht. Zur Großmutter hatte sie ein sehr inniges Verhältnis, denn die Eltern waren beide berufstätig und so wuchs Gudrun Kohlruss praktisch bei ihr auf. „Sie sang den ganzen Tag“ – so die Kindheitserinnerung – „und sie hat mir viele Lieder beigebracht.“

Die geborene Wagnersängerin

Die stattliche Frau war sehr begabt. In Czernowitz war sie aufgewachsen und die kleine Stadt in der Westukraine war damals, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, ein beliebter Treffpunkt für Künstler. Paul Celan, Rose Ausländer oder der berühmte Opernsänger Joseph Schmidt gingen hier aus und ein. Eines Tages gesellten sich zwei Mitarbeiter der Wiener Staatsoper zum Künstlerkreis. Sie waren vom Gesang der Großmutter so beeindruckt, dass sie sie vom Fleck weg mit nach Wien an die Oper nehmen wollten. Die Eltern erlaubten es nicht. Ihrer Meinung nach wäre dies für ein junges Mädchen unschicklich gewesen. Also sang sie weiter im stillen Kämmerlein, vorzugsweise Operettenmelodien. „Sie wäre die ideale Wagnersängerin gewesen“, schwärmt die Enkelin. Und weiß, was sie von der Oma noch geerbt hat: Die Stimme.