Wirkt wie eine Tupper-Party, dreht sich aber um aufregendere Waren als Plastikschüsseln Foto: Amorelie

Nicht nur Tupperware wird im Wohnzimmer verkauft, sondern auch Liebesspielzeug. Die Beraterin Renate hat in der Region Stuttgart schon an die 200 Partys veranstaltet. Ein Erfahrungsbericht von einem solchen Treffen im Remstal.

Waiblingen - Die Geschichte kommt immer wieder gut an. Sie stammt von einem Bekannten, der eines abends vor dem Haus stand, um eine Zigarette zu rauchen. Durch eines der hell erleuchteten Wohnzimmerfenster in der Nachbarschaft erblickte er eine Gruppe von Frauen, die sich um ein kleines Objekt scharte. Bei genauerem Hinsehen stellte sich heraus, dass es sich dabei offensichtlich um einen Dildo handelte – bei der Nachbarin also gerade eine Party der besonderen Art stattfand. Die Begebenheit sorgt immer zuverlässig für Lacher – und führt stets zu der Frage: Wer, um Himmels willen, besucht eine solche Veranstaltung – und warum?

An diesem Abend sitzen in Waiblingen-Neustadt bei Melanie (Namen der Teilnehmerinnen geändert) zehn ganz normale Frauen im Alter zwischen 35 und 45 Jahren am Tisch. Zwei sind Singles, der Rest ist schon seit langem liiert oder verheiratet. Von der Bäckereifachverkäuferin über die Beamtin, ein Querschnitt der Gesellschaft. „War jemand von euch schon einmal auf einer Toyparty?“, will die Beraterin Renate wissen. Jungfräuliches Kopfschütteln.

Renate könnte auch Tupperware vertreiben

Auch Renate sieht nicht besonders verrucht aus – sie könnte genauso gut Tupperware oder Thermomixgeräte an die Frau bringen. Renate hat einen technischen Beruf, ist Mutter, 45 Jahre alt – und seit etwa drei Jahren Beraterin bei Amorelie, einem Sex-Onlineshop, der sogenannte Toypartys veranstaltet. Angefangen habe alles damit, dass eine Freundin sie gefragt habe, ob sie schon einmal in einem Beate-Uhse-Laden gewesen sei.

Renate ist in diesen Dinge nicht sehr erschrocken. Die Freundin wiederum habe sich einfach nicht in einen Sexshop getraut – „und viele der Läden sind auch wirklich schrecklich. Meistens gibt es eine große pornografische Abteilung, und viele Frauen fühlen sich unangenehm von Männern beobachtet.“

Renate veranstaltete deswegen an ihrem nächsten Geburtstag eine Toyparty und stieg danach selbst ins Geschäft ein. Mittlerweile hat sie in der Region Stuttgart auf etwa 200 Partys Tipps für ein aufregenderes Liebesleben weitergegeben. „Das ist einfach mein Ding. Ich finde es toll, den Frauen sachlich nahe zu bringen, welche Möglichkeiten es gibt“, sagt Renate. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass die Teilnehmerinnen immer offener werden. „Die Frauen befassen sich mit ihrer eigenen Sexualität. Ihre Wünsche werden besprochen, ohne dass es irgendwie schmuddelig wird.“

Der Porsche unter den Vibratoren

Dass sich alles so normal anfühlt, hat viel mit Renates unaufgeregter Art zu tun. Auf Melanies Bügelbrett, über das noch schnell ein grünes Chiffontuch gelegt wird, baut sie einen Teil des Amorelie-Sortiments auf. Und kommt erst mal auf das Ende jedes Vergnügens zu sprechen: „Ich stell euch zunächst das Reinigungsmittel vor. Nachher merkt ihr euch das nämlich nicht mehr“, sagt sie.

Dann startet sie mit einem klassischen Vibrator. Der darf getestet werden, aber nur an Nasenspitze, Kinn oder Beckenknochen. „Das sind auch sehr empfindsame Stellen“, erklärt Renate. Der Vibrator wandert von Hand zu Hand, während Renate über die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten spricht.

Ein Brummen erfüllt Melanies Wohnzimmer. „Der ist aber brutal laut“, findet Sabine. Tatsächlich erinnern Mister Big, Rabbit deluxe und Co. oft an elektrische Zahnbürsten oder gar Rasenmäher. „Je mehr Wumms er hat, desto stärker ist der Motor und desto lauter ist der Vibrator“, erklärt Renate. Und da soll Stimmung aufkommen? Die Frauenrunde ist skeptisch. Renate erläutert die verschiedenen Modelle und verreibt dazwischen erwärmtes Massageöl auf den Unterarmen. Dann verbindet sie Melanie mit einem schwarzen Seidenschal die Augen, packt die Handschellen aus und lässt sie die Federseite einer kleinen Gerte spüren.

Auf die Größe kommt es an – aus dipomatischen Gründen

Nebenher wird diskutiert, wie wohl die jeweiligen Männer auf etwaige Bestellungen reagieren würden. „Manchmal ist es ganz gut, man nimmt ein Modell, das nicht nach Konkurrenz aussieht“, rät Renate, die davon überzeugt ist, dass die gemeinsame Benutzung von Liebesspielzeug frischen Wind in eine Beziehung bringen kann. Stefanie ist sich nicht sicher, ob das für ihre Ehe auch gilt: „Meinem Mann brauche ich damit nicht nach Hause zu kommen.“ Vielleicht aber ja doch – zumindest könnte der Massagestein aus Keramik ein Anfang sein.

Carola hat bereits einen Vibrator daheim. „Aber der verstaubt. Das ist nicht so mein Ding. Über den eigenen Mann geht eh nichts“, sagt sie. Die Gastgeberin Melanie muss sich über männliche Reaktionen keine Gedanken machen. Für sie als Single ist der Vibrator schlicht ein Ersatz. Und dafür greift sie auch gerne tief in den Geldbeutel. Immerhin kostet der Porsche unter den Modellen knapp 200 Euro. „Aber der ist jeden Cent wert“, verspricht Renate.

Am Ende des Abends darf frau einzeln in der Küche ihre Bestellung abgeben – Diskretion wird groß geschrieben. Deswegen wird auch in neutralen Päckchen geliefert. Nicht jede will sich Mister Big mit nach Hause nehmen – aber von der Party sind alle positiv überrascht. „Wider Erwarten echt angenehm“, befindet Miriam. Denn wann spreche man schon einmal so offen über Sex? Renate freut sich über solche Reaktionen. „Es ist toll, wenn sich jemand einfach mal traut, etwas Neues auszuprobieren.“