Eine Beziehung am Arbeitsplatz muss man nicht geheimhalten - auf öffentliches Rumgeturtel sollte man dennoch verzichten Foto: dpa

40 Prozent aller Beziehungen beginnen am Arbeitsplatz. Ein Forscher erklärt warum.

Stuttgart - Für einen kurzen Flirt gehen die Deutschen in die Disco, den Park oder das Internet. Ihren Partner fürs Leben suchen sie hingegen am Arbeitsplatz. Zu Recht, sagt der Paarforscher Manfred Hassebrauck. Dort lerne man die Stärken und Schwächen eines Menschen am besten kennen.

Der britische Philosoph Peter Winch hat 1958 einen schlauen Satz über die Liebe gesagt: "Wählen können wir nur aus dem Feld des Verfügbaren." Das Verfügbare hat sich seit 1958 multipliziert. Das Internet bietet potenzielle Traumpartner per Mausklick, Single-Agenturen tun ihr Übriges, viele Menschen stürzen sich in Blind-Date-Veranstaltungen und hoffen, ihrer großen Liebe zu begegnen.

40 Prozent aller Beziehungen beginnen am Arbeitsplatz

Eine Kontaktbörse aber hält sich seit Jahrzehnten an der Spitze: der Arbeitsplatz. Dort entstehen 40 Prozent aller Beziehungen. Zum Vergleich: Nur ein Drittel aller Partnerschaften entstehen im Netz.

Der Wuppertaler Paarforscher Manfred Hassebrauck befasst sich wissenschaftlich mit dem Thema. Der Professor sagt, dass man im Arbeitsalltag mit einfachen Mitteln persönliche Nähe aufbauen könne: "Wenn ich einen Kollegen interessant finde oder mich sogar in ihn verliebe, muss ich das ja nicht sofort offenbaren. Ich kann mich auf der Arbeitsebene unverfänglich annähern und zum Beispiel bei einem Problem im Job helfen. Das vermittelt bei der Lösung ein positives Gefühl beim anderen." Man könne sich nach und nach auch über private Dinge austauschen, etwa nach dem vergangenen Urlaub fragen und selbst etwas Persönliches von sich erzählen.

Im Büro wirkt eine Einladung zum Mittagessen unverdächtig

Im Arbeitsumfeld läuft man nicht wie etwa in einer Kneipe Gefahr, schon zu Beginn des Gesprächs zurückgewiesen zu werden. Wer den Kollegen fragt, ob er zum Essen mit in die Kantine kommt, bekommt jedenfalls seltener eine Abfuhr als der Suchende, der an der Kneipentheke in die Offensive geht. Beim Ausgehen ist es in der Regel ziemlich offensichtlich, mit welchen Hintergedanken man jemanden anspricht - im Büro nicht. Da sind die ersten Annäherungsschritte ungezwungener. Daraus entwickelt sich oft eine unterschwellige Nähe. Gefühle lassen sich im Arbeitsalltag gut tarnen und können sich so langsam aufbauen.

Bürobeziehungen halten länger

Paarforscher Hassebrauck geht davon aus, dass Beziehungen, die im Job entstehen, bessere Perspektiven haben als andere. "Die Menschen lernen sich über einen längeren Zeitraum besser kennen", sagt er. "Da ist eine verlässlichere Basis da, als wenn man sich Hals über Kopf beim Ausgehen verliebt."

Man lerne früh etwas über die Stärken und Schwächen des anderen, man wisse, wie der andere bei Erfolg oder Misserfolg reagiere: "Im Arbeitsalltag zeigt sich oft der wahre Charakter, böse Überraschungen bleiben dann meist aus." Potenzielle Paare merken im Job-Alltag auch schnell, wie viel Substanz hinter den Worten des anderen steckt oder ob der Angebetete nur ein Schaumschläger ist.

Was sagen wir unseren Kollegen?

Wenn Amor seine Pfeile dann tatsächlich durchs Büro schießt, wenn sich aus den Annäherungen eine feste Bindung entwickelt hat, muss das Paar eine Entscheidung treffen: Sagen wir's den Kollegen oder nicht? Hassebrauck empfiehlt, die Karten offen auf den Tisch zu legen: "Man sollte die Beziehung am Arbeitsplatz kommunizieren. Das Einfühlungsvermögen von Arbeitskollegen sollte nicht unterschätzt werden - früher oder später merken die, dass da was im Busch ist." Aus der Beziehung ein Geheimnis zu machen sei auf Dauer viel anstrengender, als offen dazu zu stehen.

Hassebrauck empfiehlt aber, die Partnerschaft auf keinen Fall im Büro auszuleben. "Das hat da nichts verloren. Job ist Job, Beziehung ist Beziehung." Probleme offen auszutragen oder sich intime Dinge zuzuflüstern sei tabu.Das Gesetz schreibt sogar vor, dass der Arbeitgeber dafür sorgen muss, dass seine Mitarbeiter keinem sexuell aufgeheizten Klima ausgesetzt sind. Viele Chefs legen Wert auf zurückhaltende Umgangsformen - da würden zwei turtelnde Verliebte nicht ins Bild passen.

Ganz normal weiterarbeiten

Für Hassebrauck liegt die Lösung in der Normalität: Alles sollte am Arbeitsplatz so bleiben, wie es war, bevor die Beziehung begonnen hat. Die Partner sollten die gleichen Kontakte pflegen, mit den gleichen Kollegen zum Essen gehen und nicht nur auf den neuen Lebenspartner fixiert sein - kurz und gut: einfach arbeiten.

Ein kurzes Augenzwinkern, ein verstohlenes Lächeln sind allerdings immer drin: "Das lässt sich ja auch nicht vermeiden, wenn zwei Menschen ineinander verliebt sind", sagt Hassebrauck.