Einst jugendlicher Straftäter, heute Autor und Streetworker: Fadi Saad. Foto: Simone Bürkle

Fadi Saad, Berliner Autor und Streetworker mit palästinensischen Wurzeln, hat für die Schüler der Körschtalschule aus seinem Buch „Der große Bruder von Neukölln“ gelesen.

Plieningen - Fadi Saad weiß, wovon er spricht, wenn es um Vorurteile geht. Er hat ihre Macht einst selbst erlebt, als er seiner Mutter sagte, dass er eine Deutsche heiraten wolle. „Meine Mutter hat angefangen zu fluchen. Und dann haben unsere Mamis noch eine zweite Stärke: Weitwurf. Mit Hausschuhen, Schuhlöffeln, Gabeln, eben allem, was sie finden können“, kommentiert Saad die Reaktion seiner Mutter. Dafür erntet der 33-Jährige schallendes Gelächter. Und beifälliges Gemurmel, als er erzählt, dass er die Frau trotzdem geheiratet hat und mit ihr glücklich geworden ist.

Vom ersten Moment an sichert sich der Berliner Buchautor und Quartiermanager mit palästinensischen Wurzeln mit solchen Sprüchen die Aufmerksamkeit seiner jungen Zuhörer. Fadi Saad liest an diesem Dienstagnachmittag für rund 60 Siebt- bis Neuntklässler der Körschtalschule in der Plieninger Bücherei aus seinem Buch „Der große Bruder von Neukölln“. Darin beschreibt er sein schwieriges soziales Umfeld im Soldiner Kiez und seine Vergangenheit als straffällig gewordener Jugendlicher. Der ist irgendwann nach seinem ersten Jugendarrest aufgewacht, hat eine Ausbildung zum Bürokaufmann gemacht und schließlich beschlossen, als Mittler zwischen den Kulturen zu fungieren.

Saad ist nicht nur Klassenclown, er hat auch etwas zu sagen

Doch eigentlich liest Fadi Saad dabei gar nicht. Zumindest nicht viel. Denn Saad ist der geborene Erzähler. Er diskutiert lieber, spricht sein junges Publikum direkt an. Dazu gehört auch, dass er mal spielerisch einen Klaps verteilt oder klare Ansagen wie „Halt die Schnauze!“ macht.

Aber Saad ist nicht nur Klassenclown, er hat auch etwas zu sagen. Er spricht Themen an, die unbequem sind, die erschrecken. Etwa Gewalt unter Jugendlichen. Die ist offenbar auch in der heilen Welt der Körschtalschüler angekommen. „Wer von euch kennt einen, der einen Teleskopstock oder einen Schlagring mit sich herumträgt?“, fragt Saad. Viele der Jugendlichen, die vor ihm sitzen, heben daraufhin die Hand.

Saad nimmt die jungen Zuhörer ernst, interessiert sich für sie

Sein Appell an ein friedliches Miteinander kommt derweil nicht mit erhobenem Zeigefinger daher. Saads Geschichten aus seinem Alltag als Streetworker sprechen für sich. Wenn er zum Beispiel von 17-Jährigen berichtet, die bei völlig unnötig provozierten Messerstechereien ihr Leben gelassen haben, wird es ganz still im Saal der Bücherei. Dabei bezieht Saad klar Stellung: Wer gewalttätig wird, gehört bestraft, so sein Credo – „und zwar sofort, nicht erst nach 14 Monaten“.

Allerdings beherrschen nicht die ganz großen Dramen den Nachmittag, auch wenn sie für nachdenkliche Momente sorgen. Den Großteil der anderthalbstündigen Lesung macht Saad zu einer vergnüglichen Sache für die Schüler. Etwa, wenn er feststellt, dass bei den Mädchen ab der siebten Klasse der Schulrucksack einer Handtasche weicht, und sie zudem anfangen, „immer auf die Vollidioten zu stehen“. Überhaupt redet Saad auch mal derbe daher, benutzt Wörter wie „Hurensohn“ oder „Schlampe“, um seine Botschaft zu unterstreichen. Die bleibt bei allem Klamauk immer: Er zeigt seinen jungen Zuhörern, dass er sich für sie interessiert, sie ernst nimmt. Und dass es nie zu spät ist, Integration so mit dem Herzen zu leben, wie er es tut.