Einfach mal laufen lassen: Unter Umständen ist Wassersparen schlecht für die Umwelt und für den Geldbeutel – Leitungsnetz teilweise nicht ausgelastet. Foto: dapd

Mitunter kann es vorkommen, dass man mehr zahlt, wenn man viel Wasser spart.

Stuttgart/Aachen - Hartenberg ist nicht gerade ein Ort der Superlative. 20 kleine Häuser, eine Zufahrtsstraße, gelegen mitten im Harz. Außer einem stillgelegten Bergwerk und einem ausrangierten Ferienheim für Sommerfrischler gibt es hier nicht viel. Trotzdem pilgern seit Neuestem Kamerateams in den Weiler, und Zeitungen schreiben Artikel über den von Vogelschutzgebieten gesäumten Flecken Erde. Der Grund: Die Hartenberger zahlen den wahrscheinlich höchsten Wasserpreis der Nation. 57,52 Euro legen sie je Kubikmeter hin. Zum Vergleich: In der Region üblich sind knapp vier Euro.

Hartenberg teilt sein Schicksal mit immer mehr Gemeinden in Deutschland. Das Örtchen verliert beständig Einwohner. Als Folge ist die Infrastruktur heillos überdimensioniert. Besondere Probleme bereiten die Wasserleitungen. Wenn die Wasserhähne und Duschen in den Häusern zu selten aufgedreht werden, sinkt die Durchflussgeschwindigkeit, und die Gefahr von Bakterienbefall und Gammel steigt. Um das zu vermeiden, müssen die Leitungen vom Wasserversorger verkleinert oder zumindest beständig mit Frischwasser durchgespült werden – Extrakosten, die die Preise nach oben treiben.

Besondere Probleme bereiten die Wasserleitungen

Hartenberg teilt sein Schicksal mit immer mehr Gemeinden in Deutschland. Das Örtchen verliert beständig Einwohner. Als Folge ist die Infrastruktur heillos überdimensioniert. Besondere Probleme bereiten die Wasserleitungen. Wenn die Wasserhähne und Duschen in den Häusern zu selten aufgedreht werden, sinkt die Durchflussgeschwindigkeit, und die Gefahr von Bakterienbefall und Gammel steigt. Um das zu vermeiden, müssen die Leitungen vom Wasserversorger verkleinert oder zumindest beständig mit Frischwasser durchgespült werden – Extrakosten, die die Preise nach oben treiben.

Um Geld zu sparen, sind die Einwohner von Hartenberg daher dazu übergegangen, sich mit Regenwasser zu duschen oder Spülwasser mehrfach zu verwenden. Ein Fehler, wie Experten meinen, denn beim Wasser knapsen, verschärft das Problem. Die Rechnung steigt unter Umständen noch stärker.

Durchspülen der Leitungen kann teuer werden

„Langfristig zahlt sich Wassersparen nicht unbedingt aus“, sagt Elisabeth Mader, Sprecherin des Stadtwerkeverbands VKU. Der Grund: Die Leitungen, Wasserspeicher und Pumpstationen sind auf eine bestimmte Zahl von Abnehmern dimensioniert. Geht ihre Zahl zurück, müssen die Netze im schlimmsten Fall neu gebaut werden – und das wird extrem teuer. Verhindert werden kann das nur, indem die verbliebenen Dörfler ihre Hähne freizügig öffnen und die Klospülung voll durchdrücken. Zwar steigt der Wasserverbrauch, die kostspielige Leitungserneuerung kann man sich aber sparen. Im Endeffekt kommen die Kunden besser weg.

Vor allem der demografische Wandel, verbunden mit dem Wegzug vieler Menschen in Ballungsräume ist für die Wasserwirtschaft in den vergangenen Jahren zu einem echten Problem geworden. An vielen Orten der Republik stellt sich die Frage immer deutlicher, ob sich die vorhandene Infrastruktur von der Restbevölkerung noch finanzieren lässt. Inzwischen führe die „stark rückläufige Entwicklung des Pro-Kopf-Verbrauchs und der Wasserabgabe an die Industrie zu einer Unternutzung der Anlagen und lässt aus betrieblicher Sicht kaum Spielräume nach unten zu“, heißt es in der Studie „Branchenbild der deutschen Wasserwirtschaft 2011“. Gegen Korrosion, Ablagerungen und hygienische Probleme helfe nur eines: Zusätzlich kräftig durchspülen.

Keine Probleme mit Wasserverschwendung in Deutschland

Was die Extra-Waschgänge für die Leitungen pro Jahr kosten, lässt sich nicht beziffern. Genaue Daten gebe es nicht, heißt es beim VKU. Aus Sicht der Wasserwirtschaft ist das Problem jedenfalls so drängend, dass man auch schon mal Appelle an die Politik richtet. Politische Forderungen nach einer weiteren Reduzierung des Wasserverbrauchs seien „nicht sinnvoll“, heißt es in Branchenstudien. Probleme mit Wasserverschwendung gebe es in Deutschland sowieso nicht.

Wasserwirtschaft brechen die Geschäfte weg, weil Verbräuche sinken

Das laute Klappern der Wasserwirtschaft hat einen Grund. Neben tendenziell sinkenden Bevölkerungszahlen haben das steigende Ökobewusstsein der Deutschen und Kampagnen zum Ressourcenschutz dem Geschäft der Wasserversorger massiv geschadet. Der Wasserverbrauch pro Kopf ist von 147 Liter im Jahr 1990 auf 122 Liter im vergangenen Jahr gesunken. Die Industrie baut immer öfter eigene Brunnen und versorgt sich selbst. In Summe ist der Wasserabsatz seit der Wiedervereinigung um ein Viertel eingebrochen.

„Die Versorger haben zunehmend ein Problem, ihre Netze zu finanzieren“, sagt Johannes Pinnekamp, Lehrstuhlinhaber für Siedlungswasserwirtschaft an der RWTH Aachen. Zwar können sie die anfallenden Investitionskosten auf die Verbraucher umlegen, Preissteigerungen im sensiblen Wasserbereich verursachen aber regelmäßig Proteste, die die Unternehmen lieber umgehen wollen.

Die monatlichen Fixkosten sollen tendenziell angehoben werden, die Einheit Wasser dagegen billiger werden

Daher versuchen die Firmen im Moment, des Problems sinkender Verbräuche anders Herr zu werden: Mit einer Umstellung der Tarifmodelle. Bisher war die Höhe der Rechnung stark vom Wasserverbrauch abhängig. Die monatliche Grundgebühr schlug dagegen weniger ins Kontor. In Zukunft soll es andersherum laufen. Die monatlichen Fixkosten sollen tendenziell angehoben werden, die Einheit Wasser dagegen billiger werden. Ziel solcher Modelle sei es, die Anreize zum Wassersparen zu senken, sagt Experte Pinnekamp. Setzten sich die neuen Tarife, wie sie etwa schon die Stadt Mühlheim an der Ruhr ihren Bürgen anbietet, durch, wären die Versorger ihr Absatzproblem los. Als Nebeneffekt würden gammelnde Leitungen wieder stärker durchgespült.

Einstweilen scheiden sich die Geister, ob es tatsächlich sinnvoll ist, die Wasserverbräuche via Gebührensenkungen künstlich anzukurbeln. Immerhin war Deutschland jahrzehntelang stolz auf seine Wasserzähler, die den Sparsamen belohnten und Verschwender bestraften. Fachmann Pinnekamp meint: „Wasser ist das wichtigste Lebensmittel überhaupt. Damit geht man einfach sorgsam um.“