Dauerthema Unterrichtsversorgung - nun sollen in Baden-Württemberg doch mehr Lehrerstellen erhalten bleiben Foto: dpa

Schüler, Lehrer und Eltern können sich freuen: 3570 Lehrerstellen sollten in den nächsten zwei Jahren eigentlich wegfallen, jetzt sind es noch 400.

Stuttgart - Die 20 Monate seit seinem Amtsantritt waren für Kultusminister Andreas Stoch bisher nicht immer vergnüglich. Bei Schulbesuchen und anderen Auftritten wurde der SPD-Politiker auch nach Lehrerstellen gefragt. 5770 Stellen sollte er bis einschließlich 2016 abbauen, bis 2020 sollten insgesamt 11 600 Lehrerstellen wegfallen – so hatte es Grün-Rot noch unter seiner Vorgängerin beschlossen und die Entscheidung mit sinkenden Schülerzahlen begründet.

Doch jetzt verabschiedet sich die Landesregierung endgültig von diesem Ziel. Im nächsten Jahr sollen gar keine Stellen wegfallen, 2016 dann 400, gaben Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) am Dienstag in Stuttgart bekannt. Ursprünglich standen im nächsten Doppelhaushalt insgesamt 3570 Stellen zur Disposition. Bereits in diesem Jahr hat Grün-Rot nur 363 statt 1200 Stellen gestrichen. Im vergangenen Jahr waren wie geplant 1000 Stellen abgebaut worden.

Den neuen Kurs begründeten Kretschmann und Schmid ebenfalls mit Schülerzahlen. Nach den neuen Prognosen des Statistischen Landesamts geht deren Zahl deutlich langsamer zurück, als bei der letzten Vorausberechnung 2009 erwartet worden war. Im vergangenen Schuljahr saßen über 30 000 Schüler mehr in den Klassenzimmern, als prognostiziert worden waren, bis zum Jahr 2020 hätte sich der Abstand auf bis zu 70 000 vergrößert. Das ist zum einen auf den Zuzug von Schülern – darunter auch viele Flüchtlingskinder – zurückzuführen, zum anderen auf bildungspolitische Veränderung, etwa die Einrichtung zusätzlicher Klassen an beruflichen Gymnasien.

Finanziert werden sollen die Stellen aus zusätzlichen Steuereinnahmen und Überschüssen, sagte Schmid. Künftig will die Regierung von Jahr zu Jahr entscheiden, wie viele Lehrerstellen verzichtbar sind. Es bleibe aber dabei, dass von 2016 an keine neuen Schulden mehr gemacht würden. so Schmid.

„Jetzt haben wir eine sehr gute Ausgangsposition, um unser Schulsystem auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten“, sagte Stoch. Die Liste der geplanten Veränderungen ist lang. Zum einen erhalten Grundschulen, die Ganztagsschulen werden, zusätzliche Lehrerstunden – bis 2023 sollen 70 Prozent der Grundschulen Ganztagsschulen werden, derzeit sind es weniger als ein Viertel.

Weitere Stellen werden auch für die Inklusion gebraucht. Vom Schuljahr 2015/16 an entfällt auch in Baden-Württemberg die Sonderschulpflicht. Eltern behinderter Kinder können dann selbst entscheiden, ob sie ihr Kind an eine Sonder- oder an eine Regelschule schicken. In Klassen an allgemeinen Schulen, in denen Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf sitzen, sollen neben Fachlehrern auch Sonderpädagogen eingesetzt werden. Ob der Bedarf an Sonderpädagogen gedeckt werden kann, ist allerdings fraglich – auch andere Länder suchen händeringend Experten für Kinder mit Behinderungen.

Der Landeselternbeirat fordert, dass in den nächsten Jahren auch die individuelle Förderung an allen Schularten ausgebaut wird. Vor allem Realschullehrer und Gymnasiallehrer benötigten entsprechende Fortbildungen, sagte der Vorsitzende des Landeselternbeirats, Carsten Rees. Denn seit dem Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung 2012 ist der Anteil der Gymnasiasten und Realschüler, die die fünfte und sechste Klasse wiederholen müssen, deutlich gestiegen. Zudem müsse sichergestellt werden, dass Kinder mit zusätzlichem Förderbedarf, etwa wegen Sprachschwierigkeiten, einer Lese- und Rechtschreib- oder einer Rechenschwäche, an den Grundschulen verlässlich unterstützt werden könnten, so Rees. Häufig fielen die dafür vorgesehenen Ergänzungsstunden weg, weil sie für die Vertretung kranker Lehrer oder Lehrkräften in Elternzeit gebraucht würden.