Spice ist mittlerweile verboten – doch gibt es längst Imitate Foto: Polizei

Legal Highs, als Kräutermischung getarnte Drogen, sind auf dem Vormarsch. Die Polizei warnt vor unberechenbaren Risiken

Stuttgart - Sie werden verkauft als Kräutermischungen in flippigen Tütchen, als Lufterfrischer oder Badesalze – doch der Inhalt ist tückisch und hochgefährlich, mitunter sogar tödlich. Legal Highs werden sie genannt – „Legal“ deshalb, weil die darin enthaltenen berauschenden Substanzen oft unbekannt sind, vom Betäubungsmittelgesetz noch nicht erfasst werden. Auch in Baden-Württemberg sind solche Stoffe immer stärker auf dem Vormarsch.

Als Pulver, Tabletten oder Kapseln in auffällig-bunten Päckchen werden die Mittel meist über das Internet verkauft – versehen mit dem Hinweis: „Nicht zum Verzehr geeignet“. Doch diese harmlos wirkende Aufmachung täuscht: Geraucht, geschluckt oder geschnieft können die Mischungen einen heftigen Rausch erzeugen. Kräuter und Salze dienen nur als Transporter für gepanschte synthetische Substanzen, beispielsweise für dem Hasch-Wirkstoff THC ähnliche Cannabinoide oder Amphetamine, die die Wirkung von harten Drogen wie Kokain simulieren sollen. Meist sind die Mischungen auch billiger als die konventionellen Produkte – rund 35 Euro kostet beispielsweise ein Päckchen Badesalz im Internet. Die Mischungen werden daher häufig als Alternative zu herkömmlichen Rauschmitteln in Umlauf gebracht, doch das ist tückisch: „Tatsächlich sind die Wirkungen solcher Substanzen kaum erforscht und daher unberechenbar“, sagt Hermann Leist vom Landeskriminalamt in Stuttgart. „Die chemischen Wirkstoffe sind oft wie zufällig auf Kräuter und Salze geträufelt. Die Dosierung kann an manchen Stellen bis zu 200-mal so stark sein wie beispielsweise bei herkömmlichem Haschisch.“ Als Konsument sei man da ausgeliefert, ein Versuchskaninchen.

Krampfanfälle und Atemnot

Vor einigen Tagen erst hatte ein Fall in Münsingen (Kreis Reutlingen) für Aufsehen gesorgt: Zwei Jungen im Alter von 14 und 16 Jahren wurden mit starken Krampfanfällen und Atemnot in eine Klinik gebracht, waren teilweise nicht mehr ansprechbar. Der Polizei zufolge hatten sie ebensolche Mischungen eingenommen und waren an deren Wirkungen zusammengebrochen.

Kein Einzelfall, sagt Hermann Leist: Seit die tückischen Mittel 2008 aus den USA nach Europa kamen, nehmen solche Vorfälle auch in Baden-Württemberg stetig zu, gerade auch bei jungen Menschen.

Die gepanschten Mittel fallen in einen rechtlichen Graubereich, werden von offiziellen Gesetzen nicht so schnell erfasst, wie sie wieder abgewandelt sind – ein Hase-Igel-Spiel zwischen Händlern und Gesetzeshütern. 2009 wurde beispielsweise die in Form von Kräutermischungen verkaufte Modedroge Spice im Eilverfahren verboten – doch mit kleinen Änderungen an den Molekularstrukturen der Stoffe oder anderen Substanzen gelangten schnell wieder neue Mischungen in Umlauf.

Darin genau liege die große Gefahr, sagt Uwe Stedtler von der Vergiftungszentrale in Freiburg: „Keiner weiß mehr genau, welche Wirkstoffe in welcher Dosierung in den immer neuen Mischungen stecken.“ Und so endet die Kräuterdröhnung für viele Konsumenten oft mit völlig unberechenbaren Nebenwirkungen. Starke Halluzinationen, Angstzustände und Psychosen, Nierenversagen oder Herz-Kreislauf-Zusammenbrüche sind da nur Beispiele. „Es gibt Fälle, da haben sich Konsumenten im Rausch selbst verstümmelt oder bei Panikattacken irgendwo runtergestürzt“, sagt Stedtler.

Schon 14- oder 15-Jährige experimentieren

61 Notrufe gingen im vergangenen Jahr bei der Giftnotruf-Zentrale in Freiburg ein – meist schwere Notfälle, bei denen nicht einmal die behandelnden Ärzte wissen, was für Mittel eingenommen wurden und wie sie diese bekämpfen können. Doch letztlich sei das nur ein Bruchteil der tatsächlichen Notfälle durch Legal Highs, sagt Wissenschaftler Uwe Stedtler. Eine hohe Dunkelziffer in diesem Bereich vermutet auch der Kriminalbeamte Leist. Auffällig sei, dass schon Jugendliche mit 14 oder 15 Jahren mit den Mischungen experimentieren, von denen sie auf dubiosen Online-Plattformen erfahren haben. Aber auch Cannabis-Konsumenten steigen teilweise auf die Stoffe um, getäuscht von der vermeintlichen Legalität der neuen Mittel.

Immerhin: Ungestraft bleibt der Umgang mit den Legal Highs nicht – sofern man erwischt wird. Haben die Mittel eine betäubende oder pharmakologische Wirkung, so fallen sie entweder direkt unter das Betäubungsmittelgesetz oder können unter dem Arzneimittelgesetz verfolgt werden.

Nähere Informationen gibt es bei der Vergiftungs-Informations-Zentrale in Freiburg unter der Telefonnummer 07 61 / 1 92 40 sowie über die Online-Beratungsseite www.legal-high-inhaltsstoffe.de.